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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Nebel. Es war, als ob Gaze-Tücher über der Landschaft hingen.
    Und das im Mai!
    Seit dem Mittag zog sich der Himmel zu, seit Monschau wurde es dunkler. Mal regnete es, mal nieselte es. Ein durch und durch feuchter, nebliger Tag. Überall tropfte es von den Zweigen, Wasser sammelte sich auf den Wegen, in den Reifenspuren und im hohen Wiesengras. Edgar hatte keine Zeit, um einen großen Bogen um Pfützen zu machen. Er platschte mitten durch sie hindurch, zweimal war er ausgerutscht und beinahe mit dem Hintern im Matsch gelandet.
    Bei seinem Start in Roetgen in aller Frühe war der Himmel noch halbwegs hell gewesen, und es hatte eine berechtigte Hoffnung auf einen trockenen Tag bestanden. Obwohl der Wetterbericht sich nicht hatte festlegen wollen. Aber nach dem Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung, hatte Edgar sich nicht um die Voraussagen geschert. Außerdem war er für sein Abenteuer nach dem neuesten Stand der Klima- und Outdoor-Forschung ausgerüstet, von der Kopfbedeckung über den Rucksack bis zu den Sohlen seiner Schuhe, die komplette Montur in einer olivgrünen Tarnfarbe, die Farbe der Förster.
    Als auf der Höhe von Höfen der Regen heftiger wurde, war Edgar es leid und zerrte seinen Regenponcho aus dem Rucksack, der völlig zerknittert und auf Milchkartongröße zusammengerollt war. Edgar faltete ihn auseinander und warf ihn über sich und den Rucksack. Er zog die Kapuze hoch und knöpfte die Ärmel zu. Der Saum reichte fast bis zum Schaft der Schuhe und war weit genug, dass er darunter weit ausholen konnte.
    Allerdings verlieh er Edgar das Aussehen eines Rübezahl, das wusste er, weil er sich bei der Anprobe im Outdoor-Shop im Spiegel gesehen und sich vor sich selbst beinahe erschreckt hatte. Aber er war heilfroh, dass er dieses Ungetüm trotzdem gekauft hatte. Seit dem Start in Kornelimünster war er keinen Tag ohne ihn ausgekommen.
    Der knorrige Ast, den er am ersten Tag gefunden hatte, mochte sein Übriges zum Rübezahl-Image beitragen. Groß wie er selbst und so dick, dass er gut in der Hand lag, war er ihm bei steilen An- und Abstiegen eine große Hilfe.
    Und es ging hier nicht um Schönheit. Er traf kaum eine Menschenseele. Unter der Woche und außerhalb der Saison schien die Eifel ohne Touristen verwaist zu sein und nur denen zu gehören, die dort wohnten, die wiederum damit beschäftigt waren, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und nicht daran dachten, in der Gegend herumzulaufen.
    Oder der Wald war komplett gesperrt, dachte er einen Moment lang spöttisch, gesperrt für einen illegalen Menschenversuch.
    Edgar zog seine neue Kamera hervor, die nicht viel größer war als ein Handy, und machte wie verabredet ein Foto vom Wegweiser. Wanderkarte und GPS ließ er stecken. Letzteres war wohl eingeschaltet und eingenordet, aber er hatte es erst wenige Male an zweifelhaften Wegkreuzungen zu Hilfe genommen und sich mittels der eingegebenen Koordinaten Sicherheit verschafft. Ansonsten war der Eifelsteig perfekt ausgeschildert.
    Das Logo, ein gelber Weg schlängelte sich darauf zwischen zwei blauen Seen und grünen Wiesen, leuchtete selbst im Nebel weithin sichtbar. Der Eifelsteig war noch zu jung, als dass seine Wegweiser zugewachsen oder verdreckt sein könnten. Und gegen das unerwünschte Abmontieren durch Trophäensammler waren die kleinen Metallschilder gewappnet: die Köpfe der Schrauben waren unlösbar gemacht worden. Die Nationalpark-Ranger hielten ein waches Auge darauf. Es sollte sogar eine Spezialtruppe geben, die nichts anderes tat. Aus gutem Grund. Manche Sammler nahmen den ganzen Pfahl mit, wenn sie das Logo nicht abschrauben konnte.
    Vorbei an moosbewachsenen Schieferplatten, jungen, kleinen Fichten und jungen, langen Birken in der zweiten Reihe stapfte Edgar weiter in Richtung Einruhr, dem Ziel seiner ersten Doppeletappe auf dem Eifelsteig. Wenn er den Ort erreichte, hatte er einen Marsch von sage und schreibe 41 Kilometern auf dem Buckel. Stolz machte sich auf den letzten tausend Metern breit. Stolz und Sicherheit, dass er auch die anderen Etappen in Bestzeit schaffen konnte. Und gewinnen würde!
    Seine Schritte waren beflügelt, es ging leicht bergab. Er bückte sich unter einem umgestürzten Baumstamm, der in Augenhöhe über dem Weg hing. Linker Hand konnte er durch die Baumwipfel im Tal schon den Obersee schimmern sehen, auf dem ein weißes Schiffchen seine Runden zog. Ab und zu überquerte ein Rinnsal den Weg vom Berg ins Tal, als gäbe es nicht bereits

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