Tote gehen nicht
Press, um endlich zu erfahren, wie es um die europäischen Königshäuser stand. Erstaunt stellte er fest, wie schlecht informiert er war. Nebenher belauschte er die Damenwelt bei ihrem neuesten Tratsch. Helena Finn war kein Thema, und Dr. Edgar Schramm ebenfalls nicht.
17 Uhr .
Er betrat wenige Schritte weiter die Buchhandlung Wachtel. Dort blätterte er eine gute Stunde scheinbar ratlos in diversen Büchern und las die Klappentexte von Kochbüchern und medizinischen Ratgebern. Als die junge Verkäuferin ihn fragte, ob sie helfen könne, schüttelte er den Kopf und murmelte, ihm könne niemand mehr helfen. Von der Buchhandlung aus erspähte er eine Außengastronomie.
19 Uhr .
Er setzte sich auf einen der Korbstühle vor dem Restaurant M-Quadrat . Das Gebäude erinnerte ihn, wie der Sophienhof, an eine alte Schule. Er trank wieder Bier, beobachtete unauffällig die Passanten und philosophierte wohl auch darüber, was es zu bedeuten habe, dass Schulen zu Hotels und Restaurants wurden. Zwischendurch kontrollierte er wie andere Gäste auch sein Handy. Es waren zwei Anrufe eingegangen. Beide nicht von Lutz, der sicher genug damit zu tun hatte, sich irgendwo zwischen Himmerod und Daun über viele endlose Kilometer bergauf und bergab zu quälen.
Aber Guido und Unbekannt hatten es wieder versucht.
Sein Bruder meldete sich nach dem ersten Klingelton, als habe er auf ihn gewartet und startete mit einem ausführlichen Tätigkeitsbericht. Als Edgar ihn unterbrach und fragte, warum er ihn schon wieder angerufen hätte, meinte dieser: »Nichts als Dankbarkeit. Ich will dich an meinem Glück ein wenig teilhaben lassen.«
Auf seine Frage, ob Rita Funke immer noch an Bord sei, bekam Edgar ein »Natürlich, wo denn sonst?« zu hören.
»Wir zwei lassen es uns gut gehen«, fügte Guido inbrünstig hinzu. »Willst du sie sprechen?«
Ehe Edgar verneinen konnte, hörte er Ritas Stimme. »Hallo? Edgar? Bist du es, mein Herz?«
Edgar täuschte eine Funkstörung vor und kippte das Gespräch. Er war beruhigt. Vielleicht, so hoffte er, würde es noch funken zwischen Rita und Guido. Obwohl Guido kein Frauenschwarm war, wenn er sich recht erinnerte. Ein Mann wie er weckte in einer Frau wohl eher fürsorgliche Gefühle als erotische. Aber er war ein Mann, um den Rita sich rund um die Uhr kümmern konnte. Guido würde das genießen. Edgar hatte es zum Schluss gehasst.
21.00 Uhr .
Edgar legte eine Hand auf seinen Bauch und kam zu der Erkenntnis, dass er etwas essen musste, wenn er nicht an einer Unterzuckerung oder einer Alkoholvergiftung eingehen wollte, auch wenn er keinen Appetit hatte. Er wechselte vom Biergarten ins Restaurant.
Er ließ sich viel Zeit mit der Auswahl des Tisches, der Entscheidung für Speise und Trank, der Bestellung, dem Trinken und Essen an sich und dem Bitten um die Rechnung. Zwischen jedem Vorgang ließ er unzählige Minuten verstreichen, die ihm wie Stunden vorkamen. Nach der Hauptspeise, Schweinefilet, Pilze und Rahmnudeln, nahm er noch ein Eis, nach einem Espresso noch einen Grappa. Er ging zwischendurch mehrmals zur Toilette. Irgendwann fiel ihm nichts mehr ein, womit er die Zeit noch hätte totschlagen können.
Er hatte keine verdächtigen Personen in seinem Umfeld entdeckt, auch nicht, wenn er unauffällig aus dem Fenster blickte. Bis auf die eine einzelne Frau, die nach ihm hereinkam und sich so setzte, dass er sie ansehen musste, wenn er von seinem Teller hochsah. Sie war sicher hübsch und nett, aber er hatte keinen Bedarf an einer neuen Helena Finn. Das Essen schmeckte gut, die Bedienung war zuvorkommend und beachtete ihn nicht mehr als nötig.
23.00 Uhr .
Auf dem Weg vom Restaurant ins Hotel kaufte er sich in einer Frittenbude zwei Dosen Bier aus der Kühlung und entwickelte eine simple, aber vielleicht rettende Idee.
23.20 Uhr .
Mit einem Gefühl im Bauch, als betrete er die Höhle des Löwen, öffnete er die Eingangstür zum Sophienhof. Im Foyer brannte eine Notbeleuchtung. Edgars Schritte hallten durch das riesige, leere Foyer, in dem Sitzgruppen aus Korbmöbeln standen. Rechts in einer Ecke entdeckte er einen Mann in einer Art Hausmeisterloge. Eine kleine Schreibtischlampe brannte.
Unüberhörbar fragte Edgar ihn nach einem freien Zimmer für eine Nacht. Das Treppenhaus neben ihm verstärkte seine Stimme und gab ihr ein Echo.
Der Mann fragte schweigend seinen Computer und nickte.
»Wunderbar! Sie sind meine Rettung! Ich habe schon in so vielen Hotels nachgefragt!«, rief Edgar
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