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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Energieverschwendung wert. So war es auch. West hockte auf der Fensterbank und hielt durch ein Sprossenfenster nach ihr Ausschau. Seine Pupillen reflektierten das Scheinwerferlicht. Er schien Sonjas neues Auto bereits zu erkennen, denn er erhob sich, machte einen Buckel und stellte den Schwanz steil auf. Da kam sein Dosenöffner. Er hatte Hunger.
    Es war ein kühler Abend und Sonja beschloss, den Kachelofen in Gang zu setzen und noch ein wenig in der Wohnküche herumzugeistern, um den Tag Revue passieren zu lassen. Sie holte einen Armvoll Holzscheite herein und legte mithilfe eines halben Kölner Stadt-Anzeigers Feuer.
    Als West seinen Napf bis auf ein paar Krümel geleert hatte, kroch er zwischen Wand und Ofen, sein kleines und, wie er glaubte, geheimes Plätzchen, wohin es ihn neuerdings zog, auch wenn der Kachelofen dunkel und kalt war. Er kam langsam in die Jahre und wurde seltsam, spitzmäulig beim Futter und wählerisch in seiner Zuneigung.
    Sonja legte eine CD ein und sah zur Uhr. 23.15 Uhr. Ob Anna Grund schon schlief? Sie hatte sie mit einem unguten Gefühl und nur aufgrund ihrer Beharrlichkeit im Sophienhof in Gemünd zurückgelassen. Sie holte ihr Handy aus der Leinenjacke, die an der Garderobe hing, fand in der anderen Seitentasche die Visitenkarte, die Krings ihr überlassen hatte, setzte sich auf die unterste Stufe der Stiege und wählte die Nummer.
    Anna Grund ließ sich Zeit. Ihre Mailbox schaltete sich nicht ein. Sonja ließ nicht locker. Sie war schon kurz davor, einzuhängen und im Sophienhof anzurufen, um die Sachlage im Hotel zu erkunden, als sich eine Frauenstimme leise meldete.
    »Ja?«
    »Frau Grund?«, auch Sonja senkte ihre Stimme.
    »Ja?«
    »Hauptkommissarin Senger hier. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Habe ich sie geweckt?«
    »Ja.«
    »Entschuldigen Sie. Gute Nacht. Ich melde mich morgen wieder.«
    »Ja.«
    Erst als das Gespräch beendet war, fiel Sonja auf, wie einsilbig Anna Grund gewesen war. So einsilbig wie man ist, wenn man aus dem Schlaf gerissen wird? Oder so einsilbig wie man ist, wenn man nicht allein ist?

6. Kapitel
    13. Mai, 9.55 Uhr Einruhr-Gemünd
    Nach einem steilen Anstieg auf die Dreiborner Hochfläche futterte Edgar auf einer Bank am Wegesrand hastig sein Lunchpaket auf. Er ließ seine Blicke über die umliegende Hügellandschaft schweifen, die Rapsfelder, die mit den Ginsterbüschen um das schönere Gelb wetteiferten, nahm einen Schluck aus der kleinen Wasserflasche und schoss hastig ein paar Fotos zum Beweis seines Hierseins.
    Im Gegensatz zu gestern war heute gutes Fotografier- und Wanderwetter. Trocken, klar, blank und kühl. Der Regen hatte die Luft gewaschen. Die Farben der Eifel – grün, blau und gelb – waren heller und strahlender und setzten sich deutlich voneinander ab. Und Edgar hatte nur eine Einzeletappe vor sich. Alles könnte gut sein.
    Aber nichts war gut.
    Nicht die Zeit und nicht die Entfernung machten ihm zu schaffen, es war die Vorstellung, verfolgt zu werden, die ihn wahnsinnig machte. Bei jedem Schritt unterwegs und auch jetzt auf der Bank hielt er in Wahrheit nicht nach den Schönheiten der Hügel und Täler Ausschau, sondern nach einer oder mehreren Personen, die ihm auf den Fersen sein könnten.
    Im Seeadler musste längst der Teufel los sein. Ein Zimmermädchen musste Helena gefunden haben und damit die ganze Maschinerie in Gang gesetzt haben.
    Auch wenn Edgar bisher nur einer kleinen Wandergruppe und ein paar verstreuten Wanderern begegnet war, die nicht mehr als einen freundlichen Gruß und Blick für ihn übrig hatten, ließ ihn der Gedanke nicht los, eine Gestalt könnte im Schatten verschwinden, sobald er den Kopf umdrehte.
    Und es würde ihn nicht wundern, wenn da drüben über die Dreiborner Höhe gleich ein ganzer Suchtrupp heraufkäme, bewaffnet bis an die Zähne. Seine einzige Waffe war sein Verstand, von seinem Wanderstock einmal abgesehen.
    Nichts wie weg hier, trieb er sich an.
    Über die Panzerstraße der alten Kasernen von Burg Vogelsang führte der Eifelsteig ihn in den Wald und über weichen Boden bergab in Richtung Gemünd. In Edgars Knien knackte es ab und zu verräterisch. Heute kam ihm der Weg wie die reine Schikane vor, vor allem dann, wenn er eine vermeintliche Abkürzung links liegen lassen musste, nur um sie eine Spitzkehre weiter auf seinen Weg stoßen zu sehen. Die Route war vermutlich nach Kriterien wie Abwechslung, Herausforderung, Aussichten und Sehenswürdigkeiten angelegt und nicht unter dem

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