Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
sollten dann auch sehr bald mit deinem Vater reden, sobald er sich wieder etwas von dem Schock erholt hat», sagt Miriam und pumpt einen Pappbecher Kaffee in einem Zug ab. «Vielleicht kann ich ihm ja später ein paar Fragen in eurem Hotel stellen?»
Als ich darauf zu bedenken gebe, dies ginge nicht mehr, da meine Eltern heute früh bereits abgereist seien, lese ich an Miriams und Brunschels Blicken ab, dass es wohl ein Fehler gewesen ist, dies zuzulassen.
«Dit ist aber nun schon a weng bleed», bemerkt Brunschel und schüttelt mit dem Kopf. Eine etwas peinliche Stille tritt ein, die so lange anhält, bis Berlusconi einen mit Kaffeetassen beladenen vorbeihuschenden Polizeikollegen anbellt.
«Berlusconi, ruhig!», blaffe ich ihn an.
«Berlus… was?», fragt Brunschel und schüttelt darauf noch mehr seinen Kopf.
Kapitel 6
I ch habe ein schlechtes Gewissen. Ich wollte meinen Kindern Berlin zeigen, mit ihnen richtig viel Zeit verbringen, Spaß haben, auf andere Gedanken kommen.
Stattdessen musste ich Melina bitten, auf ihren Bruder aufzupassen, während ich im Charlottenburger Polizeipräsidium herumturne.
Und schon wieder protestierte sie nicht, was mich erneut mehr als verwunderte. Sie sagte einfach: «Klar, kein Problem. Ich geh dann einfach mit ihm zu dem Madame-Tussaud-Dingsbums.»
Was ist denn da eigentlich los? Melina war in den letzten Jahren der fleischgewordene Protest. Sie pubertierte alles in Grund und Boden, war patzig, laut, unverschämt und in der Schule schlecht. Doch seit ein paar Monaten ändert sich da etwas. Sie ist ruhiger, höflicher und mitunter sogar direkt hilfsbereit. Immer wieder packt sie im Haushalt mit an, ohne dass ich sie dafür bezahlen muss. Damit kann ich kaum umgehen, es ist so ungewohnt. Zu gut hatte ich mich auf das puberale Dauerfeuerwerk eingestellt, und nun höre ich nicht einmal mehr ihr «Hohh Mann».
Nur in der Schule, da ist sie immer noch schlecht. Gott sei Dank, wenigstens diese Konstante bleibt.
Sie liegt auf Bauch und Hotelbett und blättert in einer Berliner Szene-Zeitschrift, die in unserem Zimmer auf einem runden Glastisch ausgelegt wurde. Laurin ist soeben auf seinem Beistellbett eingeschlafen, ich sitze auf dem Hotelsessel, trinke einen hellroten Minibar-Rotwein, der genau so schmeckt, wie er aussieht, und grüble darüber nach, ob ich es Melina nicht schuldig bin, ihr von den Schüssen auf der Beerdigung zu erzählen.
Nachdem ich die Charlottenburger Polizeidirektion mit beiden Hunden am Mittag verlassen hatte, verabredete ich mich mit meinen Kindern am Brandenburger Tor und verbrachte endlich mal mit ihnen die Zeit in der Art, wie es sich für einen Touristen-Vater aus der Provinz geziemt. Wir ließen uns, ohne zu zögern, mit fremden Männern in falschen russischen Uniformen fotografieren und bezahlten auch noch Geld dafür. Wir besichtigten die lange Schlange vor dem Reichstag und liefen hinüber zum Kanzleramt, wo wir vergeblich auf Angela Merkel warteten. Dann ließen wir uns sogar in einer affigen Rikscha zum übermotivierten Sony Center kutschieren, dessen Größe vor allem Laurin tief beeindruckte. Für ihn war bisher die Einkaufsgalerie von Gießen das höchste der Gefühle. Anschließend erklärte ich ihm, dass das Holocaustdenkmal mit den vielen Steinen nicht zum Versteckspielen einladen soll. Dann fuhren wir zum Alexanderplatz, bestiegen nicht den Fernsehturm, gingen auch nicht über Los, aßen aber stattdessen überteuertes wässriges Eis und schauten einem Straßenpantomimen zu, der mit seinem Herumgehample nichts anderes verdiente als einen leeren Hut.
Nach einem abschließenden Besuch der Altberliner Traditionsgaststätten Starbucks und Subways kehrten wir zufrieden und erschöpft in unser von meinen Eltern gesponsertes Vier-Sterne-Hotelzimmer zurück.
Auch die Hunde sind müde und schnarchen mit Laurin gemeinsam ein fröhliches Lied. Gerade beschließe ich, Melina doch nichts von den Friedhofsschüssen zu erzählen und ihr somit ein weiteres Drama zu ersparen, da richtet sie sich auf dem Bett auf, lehnt sich mit dem Rücken an die Wand, blickt mich eine Weile mit gerunzelter Stirn an und fragt dann: «Was war denn da gestern los auf der Beerdigung?»
«Was, wieso?», stammele ich nervös.
«Na, irgendwas muss doch passiert sein. Oder warum sind Oma und Opa so schnell abgereist?» Sie fixiert mich mit ihren blauen Augen.
Ich versuche gelassen zu wirken und antworte: «Oma ging’s doch schlecht, da hast du doch mitbekommen.
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