Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
lasziv abgedunkelten Bar setze ich mich an den letzten freien Tisch, bestelle ein Glas Grauburgunder, höre darauf zu meiner Freude ein stilvolles «Sehr wohl, der Herr», lehne mich zurück, schließe die Augen und atme tief durch.
«Ist dieser Platz noch frei?»
Als ich die Augen wieder öffne, blicke ich in das massiv geschminkte Gesicht einer üppig frisierten Dame um die sechzig. «Es ist sonst alles voll hier. Es ist doch in Ordnung, wenn ich mich noch dazusetze?»
Nein, ist es nicht, schreit es in mir. Ich hasse Dazusetzen. Schon immer, egal wo und wann, und jetzt erst recht. Ich will verdammt noch mal alleine sitzen und erst recht keine angespannte Konversation mit Fremden führen.
«Nein, kein Problem», antworte ich.
In der nächsten Stunde erfahre ich, dass die Dazusitzdame aus dem Ostharz stammt, dort auch lebt, 32 Jahre verheiratet war, ihr Mann aber leider vor drei Jahren einem Herzinfarkt beim Kegelsport erlag, sie nun endlich die Dinge tun kann, die sie schon immer mal machen wollte, Reisen nämlich und Malen, ihr Mann hätte sich darüber nämlich nur lustig gemacht, ob ich ihre Bilder denn mal sehen möchte, sie hätte einige dabei, und dass ihre Kinder in Köln lebten, sich aber nie melden würden und undankbar seien. Vor drei Wochen hat sie beim Fallschirmyoga einen sehr netten Mann kennengelernt, der will beim Sex allerdings geschlagen werden, was sie zunächst irritiert habe, nun aber nach der Lektüre aller «Shades of Grey»-Bücher sehe sie das ganz anders und ob ich so etwas auch schon mal ausprobiert hätte.
«Was?», schrecke ich aus dem selbstgewählten Koma hoch und sage, dass ich katholischer Priester sei und nun dringend meine Predigt vorbereiten müsse.
Kapitel 7
G erade in dem Moment, als ich nach Koffer und Köter greife und mit meinen Kindern das Hotelzimmer zum Auschecken verlassen möchte, klingelt mein Handy. Unterdrückt meldet es sich. Es ist meine Mutter, das höre ich schon am Klingelton.
«Bröhmann», melde ich mich.
«Hmm? Was? Ja, ich weiß … bist du das, Henning?»
Sie klingt etwas konfus. Also scheint alles in Ordnung zu sein.
«Ja, klar», antworte ich. «Seid ihr gut zu Hause angekommen?»
«Ja, äh, aber deswegen rufe ich nicht an, Junge. Du weißt, ich rufe dich auch nicht wegen jeder Bagatelle an. So eine von dieser Art Mütter, das weißt du, war ich noch nie. Auf der anderen Seite meldest du dich ja von dir aus nie, sodass ich dann bestimmt für deinen Geschmack zu oft anrufe und du schnell davon genervt …»
«Quatsch, das stimmt doch so nicht», lüge ich.
«Doch! Aber darum geht es jetzt auch gar nicht, da müssen wir jetzt auch nicht drüber streiten. Ich möchte eigentlich niemals streiten, weder mit dir noch mit deinem Vater noch mit deiner Schwester, aber manchmal geht es halt nicht anders, da muss man auch mal sagen dürfen, was dem anderen nicht gefällt …»
«Ja sicher, nur ist es im Moment gerade …»
«Schlecht? Schlecht ist es mal wieder im Moment? Ja, ist es das? Schlecht? Wie immer! Immer, Junge, immer, wenn ich mal was von dir möchte, ist es schlecht. Nie passt es dem Herrn. Halte mich nicht für so eine dumme Mutter, die nicht merkt, wie du nach Ausreden suchst, um nicht mit mir telefonieren zu müssen. Nahein, so dumm bin ich nicht. Ist das wirklich so schlimm, mal kurz mit seiner Mutter zu telefonieren? Bin ich wirklich so ein Drachen? Du weißt, ich bin nicht so eine Glucken-Mutter wie die anderen alle, die ständig bei ihren Kindern und Enkelkindern vor der Tür stehen. Das kannst du wirklich nicht von mir behaupten. Aber trotzdem bin ich noch deine Mutter. Ob du es willst oder nicht! Und als deine Mutter habe ich, so glaube ich jedenfalls, auch mal das Recht, dass es nicht ‹schlecht› ist, wenn ich bei meinem Sohn anrufe. Weißt du, wenn ich jetzt eine dieser anderen Mütter wäre, dann würde ich dich fragen, ob so etwas der Dank ist dafür, dass ich dich mit Liebe aufgezogen habe. Dass ich dich gegen deinen Vater immer verteidigt habe, dass ich wegen euch Kindern eben nicht fertig studiert habe. Sei froh, dass du keine Mutter hast, die dir so etwas an den Kopf wirft und dir am Ende noch Schuldgefühle macht. Ich habe so etwas nie zu euch gesagt. Aber ich habe …» – Nun wird ihre Stimme sehr laut. – «… verdammt noch mal das Recht, dass es einmal nicht SCHLECHT ist, wenn ich bei meinem Sohn anrufe!!!»
Mit offenem Mund höre ich zu. Melina und Laurin stehen mit gepackten Koffern vor mir, die
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