Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
«Lass uns doch ein bisschen spazieren gehen und Eis essen oder so. Dabei können wir ja überlegen, wie es weitergehen soll. Das Gepäck lassen wir einfach noch hier im Hotel. Das geht doch, oder?»
Es ist, als würde Franziska zu mir sprechen. Es ist der gleiche Tonfall der Vernunft. Nur, dass Melina erst sechzehn ist.
So machen wir es dann.
Wir durchschreiten eine parkähnliche Grünfläche, eine Mischung aus Hundetoilette, Kinderspielplatz, Joggingstrecke und Drogenumschlagplatz.
Bad Salzhausen hat auch seine Vorzüge, denke ich, als vor uns ein betrunkener Gaukler mit nacktem Oberkörper mit Bierdosen jongliert. Berlusconi und Charlie scheißen dorthin, wo es ihnen Millionen Berliner Köter bereits vorgemacht haben.
Als wir das Eiscafé ansteuern, klingelt mein Smartphone. Hektisch ziehe ich es aus der Hosentasche, bekomme es nicht richtig zu fassen, lasse es fallen, und schon ist ein Sprung im Display. Dabei hat nicht einmal meine Mutter angerufen, sondern Miriam.
«Ist es Oma?», fragen Melina und Laurin gleichzeitig. Ich schüttele den Kopf und lasse Miriam auf die Mailbox sprechen.
Sie hat, hinterlässt sie auf der Mailbox, inzwischen mit Gummers Arzt gesprochen. Sein Herztod habe ihn überrascht, Gummer sei eigentlich in guter körperlicher Verfassung gewesen. Nun plane die Berliner Polizei, den Leichnam zu exhumieren, um genauer nach der Todesursache zu suchen. Sie möchte definitiv ausgeschlossen haben, dass Viktor Gummer Opfer eines Verbrechens gewesen sein könnte.
Mich interessiert das alles nicht mehr. Ich habe andere Sorgen und stochere lustlos in meinem Bananensplit, während meine beiden aus ihren Milchshakes schlürfen.
«Na Kinder, und? Ist doch super … Ferien … keine Schule und so?», durchbreche ich in übertrieben heiterem Tonfall die Stille. Melina verdreht die Augen, und Laurin sagt: «Och, ich finde Schule super. Ich vermiss den Max und den Sören.»
«Na ja, klar», murmele ich und nicke ihm zu.
Nach einer kurzen Weile fragt er unvermittelt: «Papa, was ist eigentlich Hurensohn?»
Ich zucke kurz zusammen. «Was? Wieso?»
«Das sagen so ein paar aus der Schule zu mir.»
«Wer sagt so was?»
«Ich kenn die nicht, die sind schon in der Dritten.»
Da ich weiß, dass Begegnungen mit Drittklässlern für Erstklässler eine ähnliche Bedrohung darstellen können wie angetrunkene Neonazis für ein schwules Paar aus Nigeria, nehme ich seine Bemerkung ziemlich ernst.
«Und dann sagen die noch so Sachen wie ‹Mörderkind› und so. Wegen Mama, weißte?»
Ja, weiß ich.
Nun schaltet sich in bedrohlichem Ton Melina ein: «Sag mir, wer die Wichser sind, dann komm ich mal bei dir in der Schule vorbei und gebe denen so richtig Bescheid.»
«Lieber nicht», flüstert Laurin und blickt zu Boden. «Die schubsen mich auch so rum. Einfach so. Oder wenn ich in der Pause ein Buch lese, dann nehmen die mir das weg.»
«Du liest in der Pause Bücher?», frage ich verwundert.
«Ja klar, wieso nicht?»
«Nee klar, finde ich toll, Laurin. Hatte mich jetzt nur gewundert. Das machen die anderen Jungs aus deiner Klasse wahrscheinlich eher nicht so, oder?»
Laurin schüttelt den Kopf.
Melina fragt, ob er schon mal mit seiner Lehrerin darüber gesprochen habe. Nein, dann würde er ja noch mehr Ärger kriegen. Außerdem sei er keine Petze.
«Was soll ich denn jetzt machen, Papa?»
Hau ihnen auf die Fresse und sag ihnen, dass Gewalt keine Lösung ist, würde ich am liebsten antworten. Stattdessen aber sage ich: «Wenn die dich nur hänseln, versuch das einfach zu ignorieren. Wenn sie dir aber was tun, dann komm zu mir. Dann kümmere ich mich drum.»
Laurin nickt, er scheint aber noch nicht richtig überzeugt.
«Was hat dein Papa für einen Beruf?», lege ich nach. «Hm?»
Da hellt sich für einen kurzen Moment Laurins Gesicht auf: «Polizist», sagt er.
«Nahein, nicht nur Polizist, ich bin Kriminalhauptkommissar», korrigiere ich ihn und gucke sehr, sehr wichtig.
«Na ja, so oft ist es ja auch nicht», wiegelt er ab und blickt zu Boden. «Aber was ist denn jetzt ein Hurensohn?»
Da klingelt im rechten Moment mein Telefon. Doch wieder ist es leider nicht meine Mutter. Eine Vogelsberger Nummer immerhin erscheint im Display, sodass ich das Gespräch annehme.
«Isch bin’s», meldet sich eine tiefe Männerstimme.
«Wer bitte?», frage ich nach.
«Ei, isch! Erkennste misch net, Henny?»
Oh nein, bitte nicht!
«Ei, isch! Klingelt’s immer noch net? Isch bin’s, de
Weitere Kostenlose Bücher