Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
«ayurvedisch» kochen zu wollen.
Richard Fichtenau beugt sich nun ganz nah an mich heran, sodass mir sein säuerlicher Mundgeruch ungehindert in die Nase weht.
«Wissen Sie, Herr Bröhmann, die Fichtenaus und die Grubers, die sind schon seit 173 Jahren verfeindet. Das waren schon immer schlimme Leut, die Grubers. Das hat sich, wie soll ich sagen, weitervererbt. Zwischen dene und uns, da wird es nie mehr Frieden geben. Auch in Zukunft nicht. Das wird immer so bleiben, dafür ist viel zu viel passiert. Wissense, das ist so ein bisschen wie bei den Israelis und Palästinensern. Bei denen wird das auch nix mehr.»
Ich nicke stumm und versuche zu lächeln, doch meine Mundwinkel wollen nicht so recht.
«So, hammers dann?», fragt Irmtraud Fichtenau, richtet sich mit knirschenden Knochen von ihrem Stuhl auf, wartet keine Antwort ab, deutet stattdessen mit ihrem gelben Zeigefinger zur Haustür und gibt somit unmissverständlich zu verstehen, dass ich zu gehen habe.
Ich kann nicht sagen, dass ich dieser Aufforderung ungern folge.
Kapitel 12
H mm, das ist ja lecker», lüge ich meine Schwester an, während ich in dem gefüllten ayurvedischen Kohlrabi stochere.
«Aäächt? Findste? Wow, das freut mich», freut sich Ulrike. «Wisst ihr, es ist so waaahnsinnig schwer, für euch das richtige Essen auszuwählen. Ich kenne ja eure Prakritis gar nicht.»
Meine Mutter, Melina und ich blicken sie fragend an. Ulli genießt das.
«Jeder hat ja ne eigene Prakriti. Das wisst ihr ja, oder?»
Nein, das wissen wir nicht.
«Der eine hat mehr Pitta», doziert Ulli und zieht beim Sprechen den Atem ein, «der andere mehr Kapha, und die Nächste ist eher so der Vata-Typ. Ne?»
Alle nicken, und keinem schmeckt’s. Das sehe ich.
«Und da ich eure Mischung der drei Doshas nicht kenne, habe ich einfach äääkstrehm basisch gekocht. Das schmeckt immer allen und passt halt zu jeder Energieform.»
Na dann.
Laurin bleibt dieses Abendessen erspart. Er ist zum Geburtstag seiner Freundin Larissa in eine Fun-Event-Hüpfburg-Hall eingeladen und wird dort hoffentlich mit fettigen Chicken Wings und Pommes gemästet.
Meine Mutter sitzt am Tisch, als hätte man ihr den Stecker gezogen. Still und in sich versunken. Seit ich denken kann, habe ich sie noch nicht so lange am Stück schweigen hören.
Ulrike hat die Führung übernommen. Sie wirbelt und agiert, meiner Mutter scheint dies recht zu sein. Auch ich bin erleichtert, dass meine Schwester da ist, trotz Prakritis, Doshas und Pittas. Ein wenig befremdlich ist es allerdings schon, dass im Haus meiner Eltern plötzlich kleine Buddha-Figuren auf den Schränken hocken und mich irgendein wirrer weißhaariger bärtiger Guru im Gästeklo aus einem Bilderrahmen anstarrt.
Und viel heller ist es im Haus geworden. Ulrike hat alle Fenstergardinen abmontiert, um die «Dunkelheit zu ersticken», wie sie sagt.
Melina bewahrt Teile der Kohlrabistücke stumm in den Backenhöhlen auf, um sie dann wenig später heimlich in der Toilette verschwinden zu lassen. Vor ein paar Monaten hätte sie laut «Wäähhh, wassn das für ’n Scheiß?» gerufen und sich danach dramatisch schimpfend eine Gefrierpizza in den Ofen geschmissen. Ein bisschen wünsche ich mir diese Zeit zurück. Aber auch nur ein bisschen. Stattdessen geht Melina nun am Ende des Ayurveda-Happenings wortlos in die Küche und räumt ungefragt die Geschirrspülmaschine ein! Ich muss mit ihr reden, ja, ich muss unbedingt mit ihr reden oder einfach mal Zeit mit ihr verbringen.
Es vibriert und summt leise in meiner Hosentasche. Eine SMS von Miriam. Wieder interpretiere ich dies für mich als klares Zeichen: Ich werde nach Berlin gehen, und keiner hält mich davon ab, auch keine verwitwete Mutter.
Erst als ich die schwesterlichen Pranken auf meinen Schultern spüre, wache ich aus meinen Gedanken auf. Ulrike steht hinter meinem Stuhl und gibt Töne von sich.
«Aaahh», macht sie und «Ohhh» und drückt dabei prüfend auf meinen Verspannungen herum. Habe ich sie darum gebeten? Nein. Aber Ulrike machte schon immer am liebsten Dinge, um die sie nicht gebeten wurde. Meine Mutter sitzt inzwischen im Wohnzimmer und verfolgt die Tagesschau. Wie immer. Wie jeden Tag. Nur diesmal eben alleine.
«Ahaaa», jubelt hinter mir die große Schwester. «Was haben wir denn da?», ruft sie aus und bohrt mir ihre Daumenkuppe ins Schulterblatt. «Da ist wohl deine schwache Stelle, was?», singt sie.
Ich bin zu erschlagen, um mich zu wehren, und sacke in mich
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