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Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Faber
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das täte man besser dort, wo es hingehört, wo es Teil der Feierkultur ist, in
Bayern
eben. Warum sollte man so etwas in Hessen nachäffen? Wenn mir diese Art des Feierns Freude macht, dann kann ich doch aufs Oktoberfest nach München fahren. In aller Naivität schlug ich Holger vor, er könne doch
hessische
Volksfeste organisieren, also nicht mit Weißbier und Brezeln, sondern mit Handkäs, Ebbelwoi und Hessenkitteln.
    Und ich hatte ja auch recht, eigentlich.
    Hier und heute erzählt mir Holger indessen, dass seine Oktoberfeste inzwischen «abgehen wie Sau».
    «Echt, Henny, das läuft wie die Angst, wiiie die Angst! Ich hab die aaaabsolute Topelite auf der Bühne. Von DJ Ötzi bis Mickie Krause, von Tim Toupet bis Jürgen Drews. Da guckste, häh?»
    Und dann singt er selbst ein bisschen von nackten Friseusen und dass er Zwiebeln auf dem Kopf hätte und ein Döner sei.
    «Henny, echt, du musst unbedingt mal kommen, ich lad dich auch mal ein in meine Wibb-Launsch. Da haste alles, was dein Herzlilein höher springen lässt, hübsche Mädels und Schtars zum Anfassen. Weißtewieichmein?»
    Ich weiß, wie er meint, und muss daher aufs Klo. Jedenfalls behaupte ich es und lasse den Holger sitzen, bevor er mir gleich von «Ladies Nights» in Einkaufszentren berichtet oder von Miss-Mittelhessen-Wahlen mit Roberto Blanco in der Jury.
     
    Ich mag ihn aber, den nostalgischen Hauch, der mir bei Klassentreffen um die Nase weht, trotz Holger! Keines der bisherigen Treffen habe ich versäumt, immer war ich da, immer wieder freute ich mich auf diese skurrile Form des Wiedersehens.
    Heute, nach zwanzig Jahren, kleben an unseren Körpern gelbe Namensschildchen, um die Gefahr zu verringern, dass man das Gegenüber nicht wiedererkennt. Verklärte Anekdoten und schmierige Schulschwänke werden aufgewärmt, man prahlt ein bisschen, Infos über Kinder und Scheidungen werden ausgetauscht oder Berufe erklärt, die «Quality Assurance Manager» oder «Pitch Consultant» heißen.
    Es gibt die einen, die die Heimat verließen, in Großstädte oder ins Ausland zogen, um Staranwalt, Chirurgin oder eben Global Account Sales Representative zu werden, und es gibt die anderen, die den väterlichen Hof in Nidda-Orbes übernommen haben oder wie der Vater Polizist wurden.
    Und vor allem gibt es ganz viel dazwischen. Ein sonderbares, sicher trügerisches und doch unzerstörbares Gemeinschaftsgefühl macht sich auch an diesem Abend wieder breit. Die gemeinsame Schulzeit mit all ihren Erinnerungen verbindet uns, so unterschiedlich all diese Damen und Herren und ihre dazugehörigen Lebenswege inzwischen auch sein mögen.
     
    Ich werde natürlich dauernd nach Franziska gefragt, und mit jedem Mal nervt es mehr. Immer wieder sage ich, dass sie krank sei und darum leider nicht kommen konnte. Sie fehlt mir an diesem Abend ganz besonders. Sie gehört einfach dazu. Schließlich haben wir uns als Teenager auf einer Klassenfahrt das erste Mal ineinander verliebt und uns eingeredet, dass wir füreinander geschaffen seien. Wir würden heiraten, schworen wir uns, Kinder bekommen und uns ein Leben lang treu bleiben. So war der Plan. Na ja, das mit dem Heiraten und den Kindern hat ja auch geklappt.
    Unser gemeinsamer Lebensplan sah allerdings nicht vor, dass zwanzig Jahre nach unserem Abitur eine von uns beiden das Jubiläum im Gefängnis verpassen sollte.
    Während «Chicago» einen Song von Platte « 17 » schnulzt, sitze ich für einen Moment alleine an der Bar, trinke aus meinem kümmerlichen Kummerbier und sehe Franziska im Alter von siebzehn vor mir. Ich vergötterte sie und hatte schon nach dem ersten Kuss Angst, sie zu verlieren.
     
    Tatjana Winkes setzt sich neben mich an die Bar.
    Tatjana war einer von den Menschen, denen es zufällt, in allen Fächern 15  Punkte zu erreichen. Selbst im Sport gehörte sie groteskerweise zu den Besten.
    Ich frage sie, was wir uns alle an diesem Abend immer und immer wieder fragen: «Was machst du denn so?»
    Ich erwartete so etwas wie mathematische Physik, Doktor mit 23  Jahren und Ruf nach Harvard mit 25 . Doch sie antwortet: «Ich bin zu Hause, wir haben drei Kinder.»
    Nach einer weggedrückten Überraschungsreaktion stelle ich mich auf die Situation neu ein. «Na ja, das kann ja auch schön sein», sage ich. «Wenn man das so will. Die Kinder sind ja nur einmal klein und …»
    «Ich wollte das aber nicht», unterbricht sie mich, «es hat sich einfach so ergeben. Ich wurde kurz nach dem Examen schwanger, Frank hatte

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