Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Gefängnis freikäme, klingelt mein Telefon. Es ist Markus.
«Ich habe interessante Neuigkeiten», sagt er. «Maik Fichtenau wurde vor genau sieben Wochen vorzeitig aus der Haft in Butzbach entlassen.»
Oha!
JVA Butzbach, 12 . 3 . 1994
liebe kirsten, über mich lacht keiner mehr. das sage ich dir. das verspreche ich dir und mir. da hat es sich ausgelacht. hier im knast ist mir das scheißegal, da können die machen, was sie wollen. da können die mir noch so oft den kopf ins klo drücken, mir macht das nichts aus. ich weiß, dass du bei mir bist und immer zu mir hältst. immer! aber wenn ich hier raus bin, da lacht keiner mehr. dann ist schluss mit lustig. man sieht sich immer zweimal im leben.
ich sehe die visagen dieser typen vor mir. wie die so von oben auf mich herabgucken. wie sie mich auslachen und klein machen wollen. wie sie mir drohen. wie sie mich schlagen. ich hab mir jeden schlag gemerkt, jedes wort ist abgespeichert. und ich komme wieder. diese beschissenen 15 jahre warte ich auch noch. kein problem. hoffe nur, dass die nicht vorher schon alle abnippeln. das sind dann ja zum teil schon alte säcke, wenn ich hier rauskomme.
deinen vater lasse ich in ruhe, das verspreche ich dir. du hast ihn immer in schutz genommen, egal, was er mit dir gemacht hat. ich hab das nie verstanden, doch ich mache das, was du sagst. immer und ewig. sprich mit mir, kirsten, wo auch immer du bist, sprich mit mir. deine stimme wird leiser, ich höre dich nicht mehr so gut. geh nicht weg, hörst du?. bleib bei mir.
maik
Kapitel 11
W äre ich Produzent und müsste für einen Psychohorrorfilm die Rolle der verhärmten alten Hexe besetzen, die sich vor Jahrzehnten in die Einöde zurückzog, Irmtraud Fichtenau aus Nidda-Ulfa käme in die engere Auswahl.
Ich hocke in der düsteren braunen Wohnstube und traue mich nicht so recht, aus dem bereitgestellten Wasserglas zu trinken. Zu trüb ist der Inhalt. Irmtraud Fichtenau zündet sich eine Zigarette an, hustet schon nach dem ersten Zug und blickt mich aus gelben Augen an. Auf ihrer linken Wange prangt eine massive behaarte Warze.
«Sie wissen also nicht, wo sich Ihr Sohn aufhält?», frage ich noch einmal zaghaft nach.
«Nä!»
Hinter mir höre ich das Knarzen einer Holztür. Ein Hund bellt. Ein Hahn kräht.
Wieder rasselt Frau Fichtenau mit ihrer Lunge. «Der Maik macht, was er will», sagt sie. «Eine halbe Stunde war er grad mal hier, nachdem er rausgekommen ist. Er hat ein paar Sachen eingepackt, und dann war er wieder weg.»
«Und er hat sich seitdem nicht mehr gemeldet?»
«Nä!»
Die Fichtenaus leben auf einem alten Bauernhof in Nidda-Ulfa. Schwermut hängt in den vergilbten Gardinen. Draußen scheint die Sonne. In der Stube ist es dunkel, obwohl das Licht brennt.
«Der Maik macht, was er will», ächzt Irmtraud Fichtenau noch einmal, und ich wundere mich, warum sie gar nicht fragt, was die Polizei denn von ihrem Sohn will.
«Und Sie haben wirklich keine Handynummer von ihm und gar nichts?», hake ich nach und entdecke eine unsympathische Fliege in meinem Wasserglas.
«Sie gehen mir auf die Nerven», bekomme ich zur Antwort, und ich höre dabei den Schleim in Frau Fichtenaus Bronchien schnattern.
«Wann kommt denn Ihr Mann nach Hause?»
«Jetzt!»
«Jetzt?»
«Jetzt!»
Wieder knarzt eine Tür, und Richard Fichtenau ruft zur Begrüßung «Was ist denn hier los?» durch das Bauernhaus.
Ein hagerer, gebrechlich und nicht sehr gesund wirkender Mann um die siebzig, der in Sachen Lebensfreude seiner Frau in nichts nachzustehen scheint, betritt die Wohnstube. Ein arbeitsreiches Leben und spürbar sehr viel Kummer spiegeln sich auch in seinem zerfurchten Gesicht.
«Polizei», grummelt seine Frau, erhebt sich, hustet noch einmal und verlässt grußlos die Stube. Sie hat ihre Schuldigkeit getan, der Herr des Hauses ist nun da.
Ich stelle mich kurz vor, bekomme meinen angebotenen Handschlag nicht erwidert und frage den finster Blickenden, ob er etwas vom Aufenthaltsort seines frisch aus der Haft entlassenen Sohnes wisse. Richard Fichtenau setzt sich auf den Stuhl, auf dem seine Frau zuvor saß, greift nach dem vor mir stehenden Wasserglas und trinkt Wasser mitsamt Fliege.
«Warum? Ich denke, der ist frei!»
«Ja, natürlich», antworte ich. «Aber wir haben noch ein paar Fragen.»
«Soso, ein paar Fragen habt ihr? Aha, so wie vor 22 Jahren. Da hattet ihr auch ein paar Fragen an meinen Sohn, was?»
Er verschränkt die Arme vor seinem karierten Hemd, es ist die
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