Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
schweres Verbrechen, und zwar mindestens Mord, warte auf die Beamten. Zeitgleich mit Miriams Einwand, dass dies doch etwas übertrieben sei, klingelt mein Handy, und das Revier teilt mir mit, dass ein schweres Verbrechen geschehen ist. Und zwar mindestens ein Mord. Leider fehlt mir in diesem Moment die Muße, auf Brunschels Gesichtsausdruck zu achten, denn ich bin schon auf halbem Weg zum Tatort.
Jochen Gruber liegt leblos am Rande eines Feldweges zwischen dem Bad Salzhausener Kurpark und dem Segelfluggelände Nidda. Um seinen Kopf hat sich eine hässliche Blutlache gebildet.
Es ist kein schöner Anblick.
Jochen Gruber war ja auch lebend keine Schönheit, doch wie er da nun tot auf dem Bauch liegt, ist er es erst recht nicht.
Die Kollegen um mich herum gehen nüchtern ihrer Arbeit nach. Ich nicht. Mich nimmt so etwas mit. Ich kann in diesen Situationen noch immer schwer auf Knopfdruck in den professionellen Modus schalten. Ich verschalte mich da oft. Ich schalte in ein Programm, in dem ich apathisch und leer vor mich hin starre und über alles andere nachdenke, nur nicht über das, was anliegt. Da Rafael Brunschel neben mir steht, gebe ich mir zwar alle Mühe, mit dahergeredeten Floskeln wie «Hmm, lange kann der noch nicht tot sein» oder «Nach Selbstmord sieht das aber nicht aus» diesen Zustand zu überspielen, doch viel wird auch das nicht bringen.
Die Spurensicherung stellt die mutmaßliche Mordwaffe sicher, ein Jagdgewehr. Vermutlich wurde ihm von hinten mit diesem Gewehr in den Kopf geschossen, heißt es.
Markus ist da, Teichner auch, Sabse nebst Kindern zum Glück nicht.
Bei dem Gedanken, dass ich wohl die Aufgabe übernehmen darf, Jochen Grubers Eltern die Nachricht zu überbringen, wird mir übel. Ich gehe ein, zwei Schritte zur Seite, um nicht mehr den altklugen Atem Brunschels in meinem Genick spüren zu müssen.
Markus taucht neben mir auf und fragt, ob ich glaube, dass Maik Fichtenau mit dieser Geschichte etwas zu tun haben könnte. Da ich noch gar nicht in der Lage bin, irgendetwas zu glauben, zucke ich mit den Schultern.
«Ich denke, nein», beantwortet er sich selber seine Frage. «Wenn es zu seinem Rachefeldzug gehören sollte, dann wäre diese Tat sicher besser geplant. Dann erschieße ich mein Opfer nicht mit einem Gewehr und lasse die Waffe am Tatort liegen.»
Ich nicke einfach mal. Hier braucht mich im Moment keiner, hier bin ich keine Hilfe, und so verschwinde ich, so schnell es irgend geht, vom Tatort.
Schneller als ich es mir selbst zugetraut hätte, komme ich aber wieder zu klarem Verstand und gebe Markus per Handy durch, ich sei auf dem Weg zu den Gruber-Eltern. Ich werde sie darüber informieren, dass nach ihrer Tochter nun auch ihr Sohn gewaltsam umgekommen ist.
Ich mache mich also auf den Weg nach Ulfa. Verblüffend ruhig stehe ich bald darauf vor dem Wohnhaus der Eltern Gruber. Na also, es geht doch, ich funktioniere also doch wieder als Hauptkommissar.
Ich klingele dreimal, doch niemand öffnet. So spreche ich mit meinem Handy auf ihren Anrufbeantworter und bitte um schnellstmöglichen Rückruf. Danach steige ich wieder ins Auto, denke kurz nach und beschließe, einen Blick in Jochen Grubers Wohnung zu werfen. Wer weiß, vielleicht finde ich ja dort hilfreiche Hinweise. Vielleicht auch nicht, Hauptsache, ich tue irgendetwas, das mir sinnvoll erscheint und mit Polizeiarbeit zu tun hat.
Grubers Wohnungstür ist erwartungsgemäß versperrt, doch ich habe Glück. Eine Nachbarin mit üppiger Dauerwelle überlässt dem Hauptkommissar vertrauensvoll einen Schlüssel, ohne dass ich mich mit umständlichen Erläuterungen erklären muss.
Die lieblos eingerichtete, karge Dreizimmerwohnung muffelt über den Tod ihres Mieters hinaus nach einem traurigen Leben. Ich höre den Anrufbeantworter ab, drei neue Nachrichten. Ein Christian, der eine Frage zur Hauptversammlung irgendeines Jagdvereins hat, zweimal seine Mutter, und das war’s.
Als ich die Küche betrete, steht mir der Mund offen. Auf dem Tisch liegen ein leeres Leberwurstdöschen und daneben Dutzende Rasierklingen.
Aha, Jochen Gruber war also der Hundemörder. Und liegt jetzt selber tot im Gebüsch. Das kann doch nicht wahr sein. Haben diese Irren es wirklich getan? Egon und die Tierschutz-Irmgard, all meinen Warnungen zum Trotz?
«Hände hoch!»
Dass ich diesen Satz einmal real zu hören bekomme, hätte ich trotz meines Berufes niemals gedacht. Ich folge der Weisung. Mit dem Rücken stehe ich zu dem
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