Tote Kehren Nicht Zurück
Geschwätz. Ich bin praktisch veranlagt. Aber manchmal kann man nicht anders. Eines Abends habe ich bei den Penhallows gearbeitet, weil sie wieder einmal eine große Party gaben und jemand die Cateringfirma beaufsichtigen musste. Ich ging nach draußen, um den Mülleimer zu leeren. Es war so gegen neun Uhr, und ich hätte schwören können, dass plötzlich jemand genau hinter mir stand. Doch als ich mich umgedreht habe, war niemand da. Es war so unglaublich real, wissen Sie?« Sie schüttelte den Kopf.
»Mr Penhallow hat sich nur über mich lustig gemacht, als ich es ihm erzählt habe.« Markby setzte sich zurück und dachte nach.
»Wann ungefähr war das?«
»Muss wenigstens sechs Monate her sein. Warten Sie, wenn ich mich recht entsinne, war es letzten Oktober. Ja, richtig, es war kurz vor Halloween, und Mr Penhallow meinte, es wären wahrscheinlich Kinder gewesen, die mir einen Streich spielen wollten. Aber es waren keine Kinder. Tudor Lodge liegt, abgesehen von den Reihencottages, meilenweit von jeder anderen Siedlung entfernt. Hier gibt es keine Kinder. Außerdem springen Kinder normalerweise aus ihren Verstecken und erschrecken einen und brüllen ›Süßes, oder es gibt Saures!‹. Sie verschwinden nicht einfach wieder im Nichts.« Sie saßen schweigend da, bis Mrs Flack schließlich fragte:
»Möchten Sie vielleicht, dass ich nach oben gehe und nachsehe, wie es Mrs Penhallow im Augenblick geht? Vielleicht fühlt sie sich ja im Stande, mit Ihnen zu sprechen?« Markby rührte sich.
»Ja, danke sehr, das wäre nett. Sagen Sie ihr, Alan Markby wäre da. Wir kennen uns von früher.« Mrs Flack erhob sich und eilte aus der Küche. Markby hörte, wie sie die Treppe hinaufstieg und nach Carla Penhallow rief.
»Mrs Penhallow? Sind Sie im Stande, einen Besucher zu empfangen? Hier ist ein Gentleman, den Sie kennen …« Markby unterdrückte ein schiefes Grinsen. Mrs Flacks Worte verschleierten seine Identität, zweifellos waren die Worte unbeabsichtigt und würden bestimmt Carlas Neugierde wecken. Er blickte sich in der Küche um, neugierig, wie sie aus der Nähe betrachtet wirkte. Mrs Flack kochte keine Mahlzeiten, und wie es sich angehört hatte, Carla ebenfalls nicht – oder wenigstens sehr selten. Während Andrew Penhallow im Ausland für die Europäische Union unterwegs gewesen war, hatten seine Frau und der Junge sich offenbar die meiste Zeit über mit einfachen Fertigmahlzeiten aus der Tiefkühltruhe versorgt. Und für die gelegentliche große Dinnerparty war Mrs Flack – ihren eigenen Worten zufolge – abends noch einmal hergekommen, allerdings nur, um das Cateringpersonal zu beaufsichtigen. Ansonsten war Carla wohl ein Fan der Mikrowelle, für die es eine reiche Auswahl an industrieller Fertignahrung gab. Und trotzdem hing ein wahrer Wald an Küchengeräten an der Wand, jede Art von Mixer, Stampfer, Schäler, Schaber, Korkenzieher und Hobel, die man sich vorstellen konnte. Auf einer Arbeitsfläche stand eine neue, kostspielige, moderne Küchenmaschine. Daneben stapelten sich Hochglanz-Kochbücher – aber alles schien nur Staffage zu sein. Die Kochbücher erweckten nicht den Anschein, als wären sie in jüngster Zeit aufgeschlagen worden. Die Küchenmaschine sah unbenutzt aus, fast wie neu. Die Mahlzeiten bewegten sich den Umständen entsprechend wahrscheinlich irgendwo zwischen belegtem Toast und Filet Wellington. Markby fragte sich mit wachsender Neugier, was für eine Art von Familienleben die Penhallows geführt haben mochten. Mrs Flack kam die Treppe herunter und betrat die Küche.
»Mrs Penhallow kommt gleich nach unten, Mr Markby«, sagte sie. Sie stellte sich neben die Küchentür und winkte Markby formell zu sich.
»Wenn Sie bitte mitkommen würden, Sir? Mrs Penhallow wird Sie im Salon empfangen.« Die Etikette war, wie es schien, trotz allem etwas, das nicht vernachlässigt werden durfte.
KAPITEL 5
MARKBY STAND auf der Schwelle zum Salon und bemerkte, dass Mrs Flack ein geschicktes Manöver vollbracht hatte. Carla Penhallow war vor ihm eingetroffen. Die erste Begegnung mit trauernden Angehörigen war immer schwierig, und dieses Mal hinderte die persönliche Bekanntschaft mit der Witwe mehr, als dass sie half. Folglich fühlte er sich verlegen und hilflos angesichts der Szene vor ihm. Die Vorhänge waren zugezogen und schufen ein düsteres Zwielicht, obwohl draußen heller Vormittag war. Als Ausgleich für den Verlust an Tageslicht brannte eine Tischlampe, ein Onyx-Fuß mit einem
Weitere Kostenlose Bücher