Tote Kehren Nicht Zurück
dämmerte ihr die Bedeutung von Pearces Worten.
»Und Andrew? Mr Penhallow?«
»Ich fürchte nein, Miss Mitchell. Ich sage dem Superintendent, er soll Sie anrufen, einverstanden?« Dave Pearce klang wieder förmlich. Mehr würde sie aus ihm nicht herauskriegen.
»Danke«, sagte sie und legte den Hörer zurück auf die Gabel. Für einen Augenblick stand sie unentschlossen in ihrem Flur. Am liebsten wäre sie direkt nach Tudor Lodge gerannt und hätte selbst nachgesehen. Doch wenn die Polizei dort war, würde man sie abkanzeln und wieder nach Hause schicken. Ein leises Geräusch aus der Küche drang an Merediths Ohr und weckte sie aus ihren Gedanken. Da war es schon wieder. Hatte sie etwa das Fenster oder die Gartentür offen stehen lassen? Meredith ging rasch die wenigen Schritte zur Küchentür, die sie zum Telefonieren hinter sich geschlossen hatte, drückte leise die Klinke herunter und stieß die Tür auf. Fast im gleichen Augenblick fiel die Gartentür, die von der Küche nach draußen führte, ins Schloss. Sie erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine Gestalt hinter der Milchglasscheibe und hörte trappelnde leichte Füße davonrennen. Sie stürzte zum Fenster über dem Spülbecken und sah gerade noch einen Jungen von dreizehn oder vierzehn Jahren in den allgegenwärtigen Jeans und einer Bomberjacke mit weißen Turnschuhen und verräterischen, kurz geschnittenen roten Haaren. Er kletterte mit dem Geschick einer Katze über die hintere Mauer, drehte sich um und sprang zu Boden. Bevor er verschwand, erhaschte sie einen letzten Blick auf sein Gesicht. Er sah weder verängstigt aus, weil überraschend doch jemand zu Hause gewesen war, noch schien er angesichts seiner gelungenen Flucht zu triumphieren. Er sah einfach aus wie jemand, der so etwas schon so häufig gemacht hatte, dass es zur Routine geworden war. Wahrscheinlich hatte er den Vorfall in Gedanken bereits abgeschrieben, noch bevor er auf der anderen Seite der Mauer gelandet war. Meredith rannte in den Hof hinaus und über das Pflaster zu der rückwärtigen Tür. Sie war verschlossen. Ärgerlich zerrte sie an der Klinke, dann gab sie auf. Der Schlüssel war im Haus, an einem Haken in der Küche. Sie benutzte die Hintertür nie, daher war sie stets abgesperrt. Wie es schien, war ihr Garten trotzdem nicht sicher. Hinter der Mauer, wie der Einbrecher offensichtlich gewusst hatte, zog sich eine schmale Gasse hin, gerade breit genug für eine Person. Die Gasse führte entlang der Rückseite sämtlicher Grundstücke der viktorianischen Reihenhaussiedlung und mündete schließlich in ein Gewirr ähnlicher Gassen und Wege, welche die älteren Gebäude der Stadt untereinander verbanden. Meredith kehrte in die Küche zurück. Diesmal versperrte sie die Tür sorgfältig hinter sich. Mitten am helllichten Tag!, dachte sie. Nerven hatte er, der jugendliche Einbrecher! Wahrscheinlich hatte er das Haus die ganze Woche beobachtet, während sie auf dem Lehrgang gewesen war, und sich überzeugt, dass die Bewohner abwesend waren. Woher hatte er wissen sollen, dass sie zurückgekehrt war? Ohne Zweifel hätte er ein Fenster eingeschlagen, um in das Haus einzusteigen, doch zuvor hatte er routinemäßig die Tür ausprobiert – die Leute waren manchmal allzu sorglos – und Glück gehabt. Meredith blickte sich in der Küche um, ob etwas gestohlen worden war. Sie fand keine offensichtlichen Lücken, und der Einbrecher hatte beide Hände frei gehabt, als er die Mauer hochgeklettert war. Ihre Geldbörse und Brieftasche lagen – Gott sei Dank! – oben im Schlafzimmer. Es war knapp gewesen und ein denkbar beunruhigender Vorfall. Die Jugend des Einbrechers bedeutete nicht notwendigerweise, dass er ungefährlich war. Die Küche war voll mit Dingen, die sich als Waffe verwenden ließen. Zwei scharfe Gemüsemesser auf dem Spülbeckenrand. Hätte sie ihn überrascht, wäre er vielleicht zum Becken gesprungen und hätte ein Messer gepackt, um … Sie verdrängte den Gedanken und nahm sich vor, die Hintertür in Zukunft stets verschlossen zu halten und ihre Nachbarn rechts und links zu ermahnen, das Gleiche zu tun, ohne sie zu erschrecken. Beide waren schon älter. Ein Einbrecher.
»Was um alles in der Welt ist in Tudor Lodge passiert?«, sinnierte sie laut.
Markby fand Pearce vor dem Haus. Der Inspector wartete geduldig auf seinen Vorgesetzten, während er mit den Händen in den Taschen und einem untröstlichen Ausdruck im Gesicht die Suche im Garten beobachtete. Der arme Dave,
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