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Tote Kehren Nicht Zurück

Tote Kehren Nicht Zurück

Titel: Tote Kehren Nicht Zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Granger Ann
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er und stellte den Becher in der vollen Absicht auf den Tisch, ihn fortan zu vergessen.

    »Meine Güte«, sagte Mrs Joss mit einem heiseren Kichern,

    »Madam, wie? Man lernt wirklich Manieren, lernt man bei der Polizei, nicht wahr?« Prescott fragte sich bereits jetzt, wie lange es dauern mochte, bis er Antworten auf seine wenigen Fragen erhielt, seine Warnung über das Ausplaudern von Einzelheiten gegenüber Presse oder Nachbarn loswerden und von hier verschwinden konnte. Der winzige Raum war bis unter die Decke angefüllt mit Möbeln und Nippes, und es war so gut wie unmöglich, sich zu bewegen, ohne eine Porzellanfigur in einem mit Volants besetzten Reifrock oder einen Spaniel aus Keramik umzustoßen. Jede freie Oberfläche und die Rücken sämtlicher Sessel waren mit gestickten und geklöppelten Deckchen verziert, und an den Wänden hingen Unmengen dekorativer Teller. Drei Katzen, zwei weiß gescheckte und eine gestreifte, schlummerten träge vor sich hin. Das weiße Paar lag aneinander gekuschelt auf dem Fenstersims, und die gestreifte kauerte neben dem Kamin, von wo aus sie Prescott mit einem bösartigen Blick aus gelben Augen musterte. Prescott, über einen Meter achtzig groß und von kräftiger Statur, kauerte unbehaglich auf der Kante seines Sessels und hatte die Ellbogen eng an die Seiten gelegt. Er kam sich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen vor.

    »Und wie gehen Ihre Ermittlungen voran?«, erkundigte sich Mrs Joss.

    »Haben Sie den Täter schon gefunden?« Es war ganz offensichtlich, dass Mrs Joss sich prachtvoll amüsierte. Der Mord an Andrew Penhallow hatte ihrem stumpfen Alltag überraschend Abwechslung verliehen, so sehr wie bei anderen Leuten vielleicht der Hauptgewinn im Lotto. Der unübersehbare Mangel an Anteilnahme oder Trauer machten Prescott neugierig.

    »Kannten Sie Mr Penhallow?«, fragte er.

    »Das will ich wohl meinen!«, antwortete Mrs Joss.

    »Er war mein Nachbar. Wir haben nicht miteinander geredet, abgesehen von ›guten Morgen‹ oder ›guten Tag‹ und so weiter. Er war so eine Art bedeutende Persönlichkeit, wissen Sie? Oder zumindest hielt er sich für eine, was ja nicht immer das Gleiche ist.« Prescott betrachtete sie missbilligend. Sie war so braun wie eine Walnuss, eine verschrumpelte alte Vettel mit eisengrauen Zöpfen, die über ihren Ohren in Schleifen gelegt waren. In ihren Ohrläppchen baumelten protzige goldene Ringe. Sie hatte einen Schnurrbart. In einem früheren Zeitalter hätte man sie ohne Zögern verbrannt, mit oder ohne dieses bösartig starrende Katzenviech, das ihn vom Kamin her ununterbrochen beobachtete. Prescott war sicher, dass sie irgendwo im Haus eine Kristallkugel und Tarotkarten versteckt hatte.

    »Sind Sie ihm häufig begegnet?«

    »Er war nicht oft da«, antwortete Mrs Joss mit entschieden finsterer Miene.

    »War ständig irgendwo im Ausland unterwegs, mit diesen ›Missionen‹, oder wie das heißt.« Sie nickte, als hätte sie ihm ein Geheimnis anvertraut.

    »Ich denke, Sie verwechseln da etwas«, entgegnete Prescott, der die folgende Information bereits aus dem Mund von Mrs Flack hatte.

    »Er hat für die Europäische Kommission gearbeitet.«

    »Das ist doch das Gleiche, oder nicht?«, brummte Mrs Joss.

    »Nein«, sagte Prescott unverblümt.

    »Er war ein Schreibtischhengst, ein wichtiger sogar, kein Geheimagent von O.N.K.E.L.« Ihre Miene hellte sich auf.

    »Ich mag die alten Fernsehserien, wissen Sie? Heutzutage machen sie solche Filme nicht mehr. Aber wie ich schon sagte, er war kaum je zu Hause. Sie übrigens genauso wenig. Sie arbeitet in London. Merkwürdiges Arrangement, wenn Sie mich fragen. Nicht gerade das, was ich eine Ehe nennen würde. Als ich noch verheiratet war, haben mein Seliger und ich unter einem Dach gewohnt, bis er gestorben ist. Wenn er ins Ausland gefahren wär wie dieser Penhallow, immer wieder, dann hätt ich wissen wollen, was er dort zu suchen hat! Zugegeben, mein Seliger war im Krieg, aber das liegt nur daran, dass die Navy ihn eingezogen hat. Und ich wusste, wo er war. Auf einem Schiff. Ich hatte nie Grund, einen Groll auf ihn zu hegen«, sagte Mrs Joss in einem Tonfall, als wären ihre Worte ein unwiderlegbares Argument.

    »Nicht bis zu dem Tag, an dem er zu seinem Schöpfer gerufen wurde, zwanzig Jahre war das her letzte Weihnachten. Er fiel von einem Baum.« Prescott verkniff sich die Frage, ob es ein Weihnachtsbaum gewesen war.

    »Es war sein Beruf, wissen Sie?«, fuhr Mrs Joss fort,

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