Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
jemandem davon zu erzählen, besonders Monot nicht.
Amor hatte danebengetroffen. Ein dicker Glatzkopf um die sechzig watschelte in seiner Sporthose gemütlich auf die Kommissarin zu. Sein weißes Unterhemd war unter den Achseln weit ausgeleiert und umspannte seine runde Wampe. » Ich bin der Fred, aber du kannst Fredo zu mir sagen«, säuselte er jovial. Er nahm Vivianes Hand in seine, die ganz feucht war, und hielt sie fest. Das schien ihn schon glücklich zu machen.
Leider war Animateur-Koko aber noch nicht fertig. Das Volk wollte ein Spektakel, also würde er ihm ein Spektakel bieten. » Und jetzt eine Überraschung für unsere zehn neuen Paare. Es gibt zwei Tage Gratisurlaub zu gewinnen, zwei Tage als Paar, alles geht so schnell, wenn man Clubgeist hat, hahaha!«
Das Publikum bestätigte, hahaha, Viviane war Fredo gefolgt. Verängstigt sah sie auf die Masse von Chéris vor ihr. Sie hatte ihnen nichts getan, warum diese ausgelassene Boshaftigkeit? Eine ganz ähnliche Meute hatte einen Abend damit verbracht, auf King einzuprügeln. Hatten sie sich in dieser Leichtigkeit zusammengetan, um ihn aufzuhängen? Ja, zusammengetan, das war möglich. Sie musste Willy davon erzählen. Er kapierte nichts, lachte mit den anderen.
Animateur-Koko brachte einen Korb mit Äpfeln und gab den Paaren jeweils einen. Das Spiel war einfach: Sie sollten tanzen, die Hände hinter dem Rücken, den Apfel zwischen die Stirnen geklemmt, und ihn hinuntergleiten lassen, ohne dass er auf den Boden fiel. Die Ersten, die den Apfel zwischen ihren Bauchnabeln eingeklemmt hätten, wären die Sieger.
Es wurde ein triefender Blues eingespielt, und der Tanz begann. Nur wenige Meter neben ihr wand sich Willy eifrig. Sein Apfel war schon auf Höhe des Mundes. Die Dunkelhaarige schien glücklich zu sein, Viviane verspürte eine seltsame Eifersucht. Fredo ihr gegenüber erging sich in Verrenkungen. Sie roch seinen Atem, in den sich Knoblauch, Pastis und seine aufdringlichen Körpergerüche mengten. Er versuchte, den Apfel auf Vivianes Wange zu rollen, indem er ihn mit der Zunge festhielt. Der Kommissarin kam es so vor, als tanzte sie mit allen Männern des Esprit-Clubs, als rieben sich alle Wampen an ihrem Bauch, um sich zu wärmen, es war die reinste Hölle. Sie dachte an Königin in ihrem Ehebett und an Kings hundertzwanzig Kilo, die sich an ihr abmühten. Wie konnte eine Frau so etwas ertragen, nicht nur einen Abend, sondern jahrelang?
Fredos Zunge streifte ihre Wange. Sie konnte es nicht unterdrücken, vor Ekel aufzuspringen. Entschlossen rückte sie von ihm ab, ließ den Apfel vor ihre Füße rollen. Sie nahm vier Stufen auf einmal, sie musste diesen Ort unbedingt verlassen, bevor man sie weinen sah.
Tränenüberströmt legte sie sich hin. Morgen würde sie Monot anrufen. Morgen würde alles besser sein.
Viviane stand früh auf. Sie musste ihren Frust loswerden, ihre noch ungestillte Wut vom Vorabend, ihr war nach einem langen Lauf, um ihr Unwohlsein auszuschwitzen und den dritten Tag im Club gut zu beginnen. Sie durchquerte das stille Clubdorf. Keine Meute, keine Lautsprecher, keine Lachsalven. Nur ein leichter Wind aus der Ferne, der ihr die Versprechungen eines schönen Tages ins Ohr säuselte. Sie kam an den Strand, wählte auf ihrem Player eine Fuge von Bach aus, setzte ihre Kopfhörer auf und lief los, langsam, um sich aufzuwärmen. Der Sand war zart, ebenso ihre Einsamkeit. Ein perfekter Augenblick.
» Hey, hallo Viviane! Na, alles in Form?«
Hinter ihr lief der unvermeidliche Willy Cruyff. Resigniert setzte sie die Kopfhörer wieder ab. » Sind Sie gerade gekommen, Lieutenant?«
» Nein, ich trainiere schon seit einer Stunde. Ich war auf der anderen Seite, beim Segel-Bungalow, und habe Hochsprung trainiert. Als ich Sie gesehen habe, dachte ich, Sie würden es vielleicht vorziehen, mit mir zu laufen.«
In Vivianes Vorstellung war Joggen immer eine einsame Übung, beinahe intim, aber sie wollte ihn nicht beleidigen. Sie stoppte und tat, als humpele sie. » Ich kann nicht lange laufen, ich habe ein empfindliches Fußgelenk. Aber das macht nichts, ich werde Ihnen beim Springen zusehen.«
Sie gingen gleichen und ruhigen Schrittes nebeneinander her, ohne zu sprechen. Viviane hätte es nicht gestört, wenn Willy ihr den Arm um die Schultern gelegt hätte.
» Schade, dass Sie gestern Abend gegangen sind. Animateur-Koko hat echt super Einfälle, er kann wirklich gut Stimmung machen. Das Spiel mit dem Apfel hab ich verloren. Aber das
Weitere Kostenlose Bücher