Tote Mädchen
Mitte des Zimmers. »Wenn das ihre Welt ist, kann sie sie von mir aus behalten, aber meine ist es nicht. Können Sie uns hier rausbringen oder nicht?«
»Sie werden diese Welt verlassen, wenn Primavera aufwacht.«
»Großartig«, sagte Morgenstern, »Als ob wir das noch nicht gewusst hätten. Können Sie sie aufwecken?«
»Sie muss von ihrem Traumprinzen geküsst werden. Oder von ihrem Albtraumprinzen, in Ihrem Fall. Die Antwort liegt bei Ihnen, Mr. Morgenstern.«
»Bei mir? Was zum Teufel kann ich schon tun?«
»Sagen Sie ihr die Wahrheit. Das wird sie aufwecken.«
»Was reden Sie da?«, sagte Primavera. »Was weiß dieser Wichser von der Wahrheit?«
Toxicophilous schloss die Augen. »Es betrifft meine Titania. Die Königin, die ich liebe und hasse. Primavera, Liebes, sie hat dich betrogen ...«
»Meine Königin lügt nicht!«
»Ein ganzes Lügengespinst! Habe ich nicht recht, Mr. Morgenstern?«
»Sie werden doch wohl nicht erwarten, dass ich ...« Morgenstern setzte sich auf den Rand des Bettes. »Das ist streng geheim.«
»Dann bleiben Sie eben hier«, sagte Toxicophilous.
»Das geht nicht, ich muss ... He, woher wissen Sie das alles?«
»Ich kenne Titania. Und ich begreife allmählich, wie ich sie vergiftet und dazu gebracht habe, sich zu verändern ... Gott steh mir bei ‒ ich bin Titania!«
»Irgendwas geht da vor«, sagte ich zu Primavera. »Etwas Seltsames. Ich bin mir ganz sicher. Bring sie zum Reden.«
»Etwas Seltsames«, sagte Primavera. »Iggy, das gefällt mir nicht.«
»Etwas Seltsames«, sagte Morgenstern. »Seltsame Methoden für eine seltsame Welt. Seltsam trifft den Nagel auf den Kopf!«
»Wir warten«, sagte Toxicophilous.
»Wenn es uns hilft, hier rauszukommen, dann ...« Morgenstern spuckte in die Hände, strich sich über Haare und Bart und öffnete die Tür seines Beichtstuhls. » Operation Schwarzer Frühling war ausschließlich auf Sie ausgerichtet, mein Junge. Puppen sind hart im Nehmen. Wir haben früher schon versucht, sie dazu zu kriegen, die Wahrheit zu sagen. Ohne Erfolg. Also haben wir uns gedacht, probieren wir es mit einem Junkie. Und Sie ‒ Sie haben alles ausgeplaudert, ohne dass wir Sie auch nur angerührt haben ...«
»Von wegen nicht angerührt!«, entgegnete ich.
»Genau«, sagte Primavera, »vielleicht sollte ich ihm die Finger brechen.«
»Okay, okay«, sagte Morgenstern. »Ich komm ja schon zur Sache. Vorab: Was ich vor einer Weile gesagt habe, ist wahr ‒ wir hatten nie vor, Sie nach England zurückschicken. Ich wollte Ihnen nur etwas Angst einjagen, damit Sie reden. In Wirklichkeit waren Sie für die Staaten bestimmt. Glauben Sie etwa, dass wir uns auf einen Informationsaustausch mit der Reinheitsfront einlassen? Himmel, natürlich tun wir so, als würden wir die RF unterstützen, aber nur, um unsere Zusammenarbeit mit Titania zu decken.
Kurz nachdem die RF an die Macht kam, haben ein paar von Titanias Ausreißern Kontakt mit unseren Leuten an der Front aufgenommen. Am Anfang dachten wir, die wollen uns nur verarschen. Aber dann ist etwas passiert. Manche Leute sagen, der Präsident hätte eine Vision gehabt, andere behaupten, es wäre seine Frau gewesen. Jedenfalls wurde das State Department bevollmächtigt, erste informelle Gespräche zu führen. Es kam zu geheimen Treffen in Berlin, und da überzeugte Titanias Delegation unsere Regierungsvertreter, dass es der RF nicht gelingen würde, die Lilim auszurotten. Die Seuche war zu einer Pandemie geworden. Aber je mehr die Mädchen uns erzählten, umso mehr wurde uns klar, dass wir die ganze Sache zu unserem Vorteil drehen und dass uns die Lilim mit den Mitteln versorgen konnten, uns auf der Weltbühne wieder zu behaupten.
Diese Mädchen waren wirklich umwerfend. Sie machten uns den Vorschlag, sich in die Dienste der US-Außenpolitik zu stellen. Ihr Angebot lautete folgendermaßen: Titania würde ihre Ausreißer in Länder schicken, die für uns von geopolitischer Bedeutung waren. Sobald die Seuche anfing, die Wirtschaft dieser Länder zu schwächen, würde Titania etwas entfesseln, was sie ›das Geheimnis der Matrix‹ nannte. Nur Amerika würde eingeweiht sein, würde begreifen, was da vor sich ging, und wäre in der Lage, sich die Situation zunutze zu machen. Jede Regierung auf der ganzen Welt wäre auf uns angewiesen, damit die Seuche sich nicht weiter ausbreitet ...«
»Halt den Mund!«, schrie Primavera. »Das sind alles Lügen!«
»Das Geheimnis der Matrix?«, sagte ich. »Sie meinen die
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