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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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verließ ihn und machte mich
auf den Weg zurück zum Restaurant. Weder seine Kinder noch seine Cousins waren
irgendwo zu sehen. Nur die Hunde lagen immer noch auf dem Weg und ignorierten
mich immer noch. Der rote Kleinlaster und der Camper mit dem Nummernschild aus
Oregon waren weg. Mein Auto schien das einzige Fahrzeug auf dem Parkplatz zu
sein, das noch fahrtüchtig war.
    Ich ging zum Restaurant und trat ein.
Es bestand aus einem einzigen großen Raum mit verschmierten, salzverkrusteten
Fenstern, die auf einen baufälligen Anlegesteg hinaussahen. Vor den Fenstern
standen vier Tische, und weitere Tische waren zwischen den Fenstern und der Tür
aufgestellt. Die Tischdecken aus Wachstuch sahen nicht besonders sauber aus,
auf einer schlief eine große schwarze Katze. An der Bar rechts an der Wand saß
der Cousin mit dem Schnurrbart und las ein Rennblatt. Eine dürre, rothaarige
Kellnerin hing auf einem Barhocker und trank ein Bier aus der Flasche. Keiner
schien mich zu bemerken.
    Ich setzte mich auf den Hocker neben
dem Mann. Er schaute nicht auf, aber er fragte: »Haben Sie D. A. gefunden?«
    »Ja.«
    »Verstehen Sie jetzt, warum wir uns
Sorgen um ihn machen?«
    »Es scheint ihm nicht schlecht zu
gehen.«
    Er hob den Kopf und runzelte die Stirn.
»Sie haben keine Ahnung. Sie kannten ihn vorher nicht.« Er lachte zynisch. »Der
große Intellektuelle, der Klassenbeste, Hochschulstipendium, während wir
anderen nicht einmal die High-School abschließen konnten. Schauen Sie ihn sich
jetzt an — fix und fertig.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Das bleibt in der Familie.«
    »Wie Sie wollen.« Ich nahm eine meiner
Visitenkarten heraus. »Sind Sie Jake oder Harley?«
    Er schien verblüfft zu sein, daß ich
Namen wußte. »Harley«, sagte er nach einem Augenblick.
    »Wann kommt Mia zurück?«
    »Sobald meine Frau entbunden hat.«
    »Ihre Frau entbindet, und Sie sind
nicht bei ihr?«
    Er zuckte die Achseln. »Das ist schon
das dritte; Chrissy wird ohne mich fertig.«
    Mein früheres Mitgefühl mit dem
Neugeborenen war offensichtlich vollkommen gerechtfertigt. Ich schob die Karte
über die klebrige Bartheke und sagte: »Wenn Mia zurückkommt, dann sagen Sie ihr
doch, sie soll mich anrufen — sie kann ein R-Gespräch anmelden.«
    Harley warf einen Blick auf die Karte,
und seine Augen verengten sich etwas. »Was haben Sie mit D. A. und Mia zu tun?«
    »Ich sagte Ihnen schon, das ist eine
Privatangelegenheit.«
    »Und ich sagte Ihnen schon, daß wir
eine Familie sind.«
    »Wenn einer von den beiden mit Ihnen
darüber sprechen will, dann wird er es schon tun.«
    Er nahm die Karte und zerriß sie. »Wenn
Sie mir nichts sagen, ruft Mia Sie nicht an.«
    Ich zügelte meinen Zorn, nahm eine andere
Karte aus meiner Tasche und legte sie auf die Bar. »Wenn Mia mich nicht anruft,
werden Sie nie erfahren, was ich von den beiden will, oder?«
    Harley schob seinen Kiefer
angriffslustig nach vorne und warf einen unentschlossenen Blick auf die Karte.
Dann wandte er sich wieder seinem Rennblatt zu und ließ die Karte unangetastet
liegen.
    Als ich hinausging, winkte mir die
Kellnerin zu und bildete mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis.
     
    Die Fahrt zurück in die Stadt schien
kein Ende nehmen zu wollen — vielleicht, weil die Fragen, die mir durch den
Kopf gingen, auch kein Ende nehmen wollten. Etwas war vor langer Zeit passiert,
vermutlich in den Sechzigern in Berkeley, etwas, das Hilderly, Ross, Taylor und
Jenny Ruhl aneinanderschmiedete mit Ketten, die über Jahre, Entfernung und Tod
hinaus währten. Jess Goodhue hatte mir gesagt, daß ihre Mutter wegen einer
Sache im Zusammenhang mit den Studentenprotesten in Schwierigkeiten geraten sei
und kurz danach Selbstmord begangen habe. Was war das? Hatte es auch Hilderly,
Taylor oder Ross betroffen? Das konnte nicht stimmen; Ruhl war 1969 gestorben,
und Hilderly war zu der Zeit wohl in Vietnam gewesen. Und was hatte Grant mit
all dem zu tun — ein Mann, den sowohl Ross als auch Taylor zu kennen schienen,
aber um nichts in der Welt kennen wollten? Und was sollte das Gerede von dem ›right
man«. Wofür ›right‹?
    Als ich mich der Golden-Gate-Brücke
näherte, kam der Verkehr aus der Stadt fast zum Erliegen. Auch auf meiner Seite
verlangsamte sich das Tempo, was zum Teil daran lag, daß zwei Spuren während
des Berufsverkehrs geschlossen waren, und zum Teil daran, daß es südlich des
Waldo-Tunnels eine Mautstation gab. Ich stellte das Grübeln ein und paßte auf,
daß ich nicht auf

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