Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
Vom Netzwerk:
hatte er. Er nickte vor sich hin.
    »Danke für Ihre Zeit, Mary. Machen Sie’s gut.«
    Als sie seine Schritte auf der Treppe hörte, ließ sie den Stoff der Jeans auf den Knöchel hinunterfallen. Die Haustür ging auf, wurde geschlossen, und dann, wie sie ja von Anfang an hätte wissen müssen, war Mary wieder völlig allein.

9
    Sonntag, 28. August
    I ch weiß, dass mir beim ersten Rendezvous immer zwei bestimmte Fragen gestellt werden. Nachdem wir ein vollkommen achtbares Pastagericht, den größten Teil einer Flasche Rotwein und das ganze Geplauder über »Ist es nicht merkwürdig, sich übers Internet kennenzulernen?« hinter uns hatten, stellte eine gewisse Sarah Crowther mir die erste.
    »Führst du mir mal einen Zaubertrick vor?«
    »Das wird dich aber was kosten«, sagte ich. »Man muss sich schließlich sein Essen verdienen.«
    Sie lächelte. »Vergiss nicht, dass du gerade gegessen hast.«
    »Und es war lecker.«
    »Stimmt! Deine Ausrede bringt also nichts.«
    Ich war mit ihr zu Al Bacio, meinem italienischen Lieblingsrestaurant, gegangen. Obwohl es mitten in der Stadt lag, waren fast nie Gäste da, ein wohlgehütetes Geheimnis, wobei es der italienischen Familie, die das Lokal betrieb, zweifellos lieber gewesen wäre, wenn es etwas weniger geheim geblieben wäre. Der Kellner stand öfter rauchend draußen vor der Tür, was wahrscheinlich auch nicht half, aber das Essen war hervorragend, und aus der offenen Küche zogen die Essensdüfte, so dass man sein Gericht schon eine Weile, bevor es serviert wurde, riechen konnte. Ich kam oft hierher.
    Sarah und ich hatten einen Tisch für zwei in der Ecke, mit einer Kerze, die auf der Seite des Tisches stand und ihre Augen glänzen ließ. Obwohl ich einiges über sie wusste (dreiundzwanzig, trinkt und raucht in Gesellschaft, Atheistin, studiert seit zwei Jahren Bildende Kunst mit dem Abschlussziel Promotion) und natürlich ihr Foto in ihrem Internet-Profil betrachtet hatte, sah ich sie zum ersten Mal persönlich. Am Nachmittag hatte Rob, der über meine gelegentlichen Streifzüge ins Reich der Partnersuche übers Internet immer die Nase rümpfte, mir geraten, mich auf eine enorm übergewichtige Soziopathin mit einem Eispickel in der Handtasche gefasst zu machen. Oder möglicherweise auf einen Mann.
    In Wirklichkeit hätte er sich jetzt in den Arsch gebissen. Sarah war klug und attraktiv, mit dunkelblondem, lockigem Haar, das um ihr freundliches Gesicht herabfiel. Sie trug eine schöne schwarze Bluse und enge dunkle Jeans. In einer unserer Flirt-Mails hatte sie von »Gekicher und jeder Menge Locken« gesprochen. Bis jetzt passte diese Beschreibung genau auf sie, und für mich war es ein wunderbarer Abend. Natürlich war noch Zeit, der Eispickel konnte durchaus noch auftauchen, aber dann würde ich wenigstens als glücklicher Mann sterben.
    »Na los«, sagte sie. »Ich merke doch, dass du Lust dazu hast.«
    »Okay. Zieh den Ring ab und gib ihn mir.«
    Das tat sie. Ich legte ihn auf den Tisch, lächelte ihr zu und ließ ein kurzes Schweigen entstehen.
    »Noch Wein?«, fragte ich.
    Sie grinste. »Du drückst dich. Aber ja, danke.«
    Ich teilte den Rest in der Flasche zwischen uns auf, räusperte mich und lockerte demonstrativ meine Finger. Meine rechte Hand war besser geheilt, als ich erwartet hatte, aber sie fühlte sich noch etwas merkwürdig an.
    »Pass gut auf.«
    Ich zog den Ring zu mir heran und hob ihn mit der rechten Hand auf. Zeigte ihn ihr kurz. Gab ihn weiter an die Linke und schloss die Hand darüber, starrte dann auf meine Faust und streckte beide Hände gut sichtbar aus. Ich hatte einen konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht, den ich schon tausendmal im Spiegel gesehen hatte. Irgendwann in der Nähe des fünfhundertsten Mals fing er an, überzeugend zu wirken.
    »Fast …«
    Ich schloss die Augen, verzog das Gesicht und …
    … entspannte mich dann. Es würde nicht gelingen.
    »Ich hab ’n Fehler gemacht.«
    Ich legte den Ring auf den Tisch. Sarah sah mich belustigt an.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Hab das schon länger nicht mehr gemacht.«
    »Na, ich kann mir nicht vorstellen, warum du damit aufgehört hast.«
    »Aha, du willst mir also sarkastisch kommen?«
    Ich gab vor, mich zu ärgern, und genoss das Geplänkel zwischen uns. Nach dem Abend mit Tori hatte ich mich gefragt, ob ich diese ganzen Verabredungen mal eine Weile lassen sollte. Aber im Moment war ich froh, dass ich beschlossen hatte, mich gleich wieder hineinzustürzen.
    »Okay, lass

Weitere Kostenlose Bücher