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Tote Stimmen

Tote Stimmen

Titel: Tote Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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was ich mit Sicherheit wusste, war, dass jemand Tori entführt hatte. Es war natürlich anzunehmen, dass es der gleiche Mann war, der Julie und die anderen Mädchen ermordet hatte, aber das warf eine Reihe unbequemer Fragen auf. War es ein Zufall, dass er Julie und dann Tori geholt hatte? Wenn ja, dann war es ein sehr großer Zufall. Und wo war sie? Die Medien hatten gemeldet, dass alle bisherigen Opfer gefesselt in ihren Wohnungen zurückgelassen wurden. Aber vielleicht war es gar nicht so. Wenn einer ihrer Freunde rechtzeitig zu ihrer Wohnung gegangen wäre, hätte er vielleicht genau wie ich einen Brief gefunden.
    Aber es brachte nichts, solche Überlegungen anzustellen. Man musste sich mit dem befassen, was man wusste. Und das beschränkte sich auf den Brief, die E-Mail und die Dinge, die er mich bis jetzt zu tun gezwungen hatte. Zwei meiner ehemaligen Freundinnen waren verwickelt, meine Fingerabdrücke waren an einem der Tatorte, und ich war gezwungen gewesen, vor der Polizei zu fliehen. Hatte er die Absicht, mir irgendwie eine Falle zu stellen? Er musste doch merken, dass das nicht funktionieren würde …
    Was machst du bloß?
    Ich stand auf und ging über den Flur zu Owens Zimmer. Dann schaltete ich das Licht an, und die graue vergessene Welt dort drin kam zum Vorschein.
    Das einzig Vernünftige und Rationale wäre, jetzt zur Polizei zu gehen. Ich erinnerte mich, ein Buch über Verhandlungen mit Geiselnehmern gelesen zu haben, und die Hauptregel war immer die gleiche: Der Entführer durfte nicht entkommen, selbst wenn das hieß, dass alle Geiseln starben. Die Situation musste unter Kontrolle gehalten werden. Wenn ich so eigenständig handelte, konnte ich mich und Tori in Lebensgefahr bringen und riskierte es, dass Toris Entführer nicht gefasst wurde und noch andere verletzte. Wenn ich zur Polizei ginge, hätte man zumindest eine Chance, ihn zu erwischen.
    Das wusste ich.
    Aber ich konnte es trotzdem nicht tun.
    Ich ging zu Owens Schreibtisch und stieß mit dem Finger ein Buch an. Es rutschte mit einem kratzenden Laut zur Seite, und mitten in dem Grau war ein helles Viereck auf dem glatten Holz zu sehen. Ich fuhr mit dem Finger am Bettpfosten herunter, und auf der Fingerspitze sammelte sich ein ovaler Staubfleck.
    Da fiel mir etwas ein.
    Es stimmte nicht, dass niemand in diesem Zimmer gewesen war. Ich selbst war ungefähr ein Jahr nach Owens Tod hier hereingekommen. Ich hatte dagestanden und an den Schuss gedacht, den ich zu hören geglaubt hatte, und ich war voller Schuldgefühle. Denn wenn die Dinge stimmten, die meine Eltern glaubten und mit denen sie sich zu beruhigen versuchten, dann hätte ich ihn an jenem Tag retten können, hatte es aber nicht getan. Nicht lange danach fing ich an, gegen sie zu rebellieren, aber die Lektion war mir immer im Gedächtnis geblieben. Er war entschwunden, und ich hatte es zugelassen.
    Es fiel mir wieder ein. Ich hatte auf dem Bett gesessen und mich umgeblickt, und mein Bruder fehlte mir mehr, als ich irgendjemandem sagen konnte. Sollte er noch irgendwo sein und ein Bewusstsein haben, hatte ich gehofft, dass er mich nicht hasste für das, was ich an jenem Tag unterlassen hatte. Und ich fragte mich, ob meine Eltern mich je wieder liebhaben würden.
     
    Die Zeit zog sich in die Länge, und nichts geschah.
    Ich fing an, mich zu sorgen, dass ich etwas verpasst haben könnte. Langsam kam Angst in mir auf, die Sache irgendwie vermasselt zu haben; dass ich zu spät dran war oder zu dumm, um den Ball aufzufangen, den er mir zugeworfen hatte. Oder dass bei den Plänen des Mannes etwas dazwischengekommen war. Vielleicht hatte er nicht gewusst, dass das Telefon in meinem Elternhaus nicht angeschlossen war. Ich hatte keine Ahnung, was sich in seinem Kopf tat.
    Mit der Zeit traten Frustration und Wut an die Stelle der Angst. Ich hatte nichts verpasst, er ließ mir nur einfach die Gelegenheit zu schmoren, und es funktionierte. Sosehr ich auch versuchte, ruhig zu bleiben und meine Gefühle zu verdrängen, waren sie doch da. Bald würde die Polizei kommen. Ich würde ins nächste Zimmer gehen, und da würde er einfach mitten im Raum stehen; Tori war dabei zu sterben …
    Jetzt, wo ich im Haus meiner Eltern allein war, vermehrten sich die Emotionen wie Bakterien, und um elf war ich praktisch so weit, dass ich fast an der glatten Wand hochging, überdreht und bereit zu Kampf oder Flucht, aber es war niemand da, dem ich entgegentreten konnte, und es gab keine Möglichkeit wegzulaufen. Ich

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