Toten-Welt (German Edition)
irgendwo hier oben versteckt?
Durch eines der Fenster, das gekippt war, konnte Amelie auf den Burghof sehen. Die jungen Männer, Soldaten bisher und alle makellos in Uniform, standen in Gruppen beieinander, rauchten und diskutierten. Unmittelbar in der Nähe hatten sich die Typen versammelt, die mit Hermann auf der Brüstung des Torturms gewesen waren, ein Leutnant, zwei Unteroffiziere, der junge Kerl namens Niedermüller, der sich als Vertreter der Soldaten zur Wahl stellen wollte, und ein Zivilist in Lederjacke. Amelie schloss das Fenster und beruhigte sich.
„Wie kommst du ausgerechnet hierher?“, fragte Hermann und klang etwas gefasster.
„Das könnte ich dich auch fragen. Kennst du eine gewisse Maria Berkel?“
Er wollte sofort etwas antworten, vermutlich einen Verneinung, aber verstummte, als er ihren Blick sah.
„Wie alt bist du, Hermann? Die 38, die du mir bisher weisgemacht hast, hab ich dir übrigens nie geglaubt.“
„Hör zu Amelie, wir haben nicht viel Zeit. Ich schlage vor, dass wir unsere Vergangenheit später aufarbeiten. Was wir jetzt brauchen, ist eine ebenso glaubwürdige wie unverdächtige Antwort auf die Frage, wer du bist, wo du herkommst und was du hier oben machst.“
„Unverdächtig wäre es gewesen, das gleich draußen vor allen zu klären.“
„Das konnte ich nicht riskieren. Einer der Männer da direkt am Fenster, der Zivilist, er ist Kriminalermittler. Ein Polizeihauptkommissar.“
„Na und?“
„Was macht der wohl, wenn er den Namen Amelie Korski hört?“
„Er greift zum Handy, bestellt eine Funkstreife aus der Stadt und liest mir meine Rechte vor.“
„Sehr witzig. Denk nur nicht, weil es keine Strukturen mehr gibt, bist du aus dem Schneider. Ich würde mir an deiner Stelle nicht weniger, sondern mehr Gedanken machen als vorher.“
„Du machst dir doch nur Gedanken um dich selbst. Aber so wie ich das sehe, ist eine riesengroße Zombie-Herde unterwegs hier herauf.“
„Das weißt du also schon.“
„Ich kann auch aus dem Fenster gucken. Dieser Hauptkommissar hat jetzt andere Probleme als mich zu verhaften. Meine Meldung war ernst gemeint. Ich will mich zur Wahl stellen und helfen, uns zu verteidigen.“
„Das ist schön von dir. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig sein. Noch herrscht in dieser Truppe eine Art Zivilisation, aber das kann ganz schnell umschlagen. Und dann richtet sich der Hass gegen alles Fremde und Unheimliche innerhalb der Gruppe. Wenn wir auffliegen, droht uns nicht nur Gefängnis, das kannst du mir glauben. Ich hab so was schon mal erlebt.“
„Ich weiß. Und zumindest du wirst es auch diesmal überleben, egal, was passiert.“
Er verdrehte die Augen und seufzte. Unwillkürlich dämpfte er die Stimme noch weiter, als er fragte:
„Was hat sie dir alles erzählt?“
„Eben alles, schätze ich. Bis zu dem Punkt, an dem sie nach ihrer Rückkehr aus den Folterkellern der Stadt zu diesen Monstern wollte, dem Fürstbischof und dem Wesen, aus dem du dein Mittel gezapft hast. Die Ampullen hier...“
„Ja, das ist mir schon klar“, unterbrach er sie schroff. „Hör mal, Amelie, ich kann dir das jetzt unmöglich alles aus meiner Sicht erläutern. Aber geh bitte davon aus, dass die Geschichte auch ganz anders gewesen sein könnte und auf jeden Fall ihre zwei Seiten hat. Irgendwann arbeiten wir das auf. Aber jetzt ist erst mal wichtig, was wir denen da draußen sagen.“
„Ganz einfach, die Wahrheit: Ich war eine Angestellte des Burgbesitzers Ronan Bergenstroh und habe mich hier versteckt in der Hoffnung auf Rettung. Ich habe euch belauscht, und als ich mir sicher war, dass ihr zu den Guten gehört, habe ich mich zu erkennen gegeben.“
„Okay. Und wie lautet dein Name?“
„Amelie Korski, verdammt noch mal. Du weißt genau, dass ich keine Mörderin bin. Wenn mir jemand das vorwerfen sollte, dann kläre ich die Sache auf. Ich hab’s satt, mich zu verstecken.“
„Und was ist mit meiner Rolle in der ganzen Sache?“
„Keine Angst, dich lass ich weg. Wir kennen uns nicht. Ich bin ja nicht blöd.“
„Amelie...“
Er wollte sie sanft am Arm greifen, was sie heftig abwehrte. Sie standen sich frontal gegenüber – Amelie völlig überzeugt von dem, was sie vorhatte, er zögernd. Nachdem er ihr Gesicht betrachtet und sich von ihrer Entschlossenheit überzeugt hatte, nickte er und deutete zur Tür.
„Meinetwegen. Es wird Zeit.“
„Und Hermann...“
„Ja?“
„Jeder kämpft für sich allein. Ich sage nichts über dich,
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