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Toten-Welt (German Edition)

Toten-Welt (German Edition)

Titel: Toten-Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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der Explosion hatte aufgehört. Sie sahen sich an und schauten nach unten. Der Boden direkt zu ihren Füßen erzitterte immer noch, aber offenbar aus anderem Grund. Es klang nach regelmäßigen Stößen aus dem Erdinneren.
    „Wir stehen direkt über dem Gewölbe“, sagte Mertel und zog Niedermüller zu einer Stelle, von der er hoffte, sie sei nicht unterhöhlt.
    „Können die den Gang zum Einsturz bringen und entkommen?“, fragte der junge Soldat.
    „Keine Ahnung. Aber diese Biester waren verdammt groß und wuchtig. Wir müssen erst mal diesen Fluchtplan abblasen, kommen Sie.“
    Misstrauisch beäugt von den Wachen auf den Wehrgängen, die inzwischen nach beiden Seiten sicherten, erklommen sie die Holzstiegen und schoben sich durch zum Eckposten über dem Vorburgtor.
    „Wo ist Stolte?“, fragte Mertel einen der drei Gefreiten, die mit gezückten Handgranaten auf den offenbar unmittelbar bevorstehenden Durchbruch der Zombie-Legionen durchs Vorburgtor lauerten. Die Masse aus Zehntausenden durcheinander und übereinander wimmelnder Leiber da draußen und das Stöhnen, der allgemeine Lärm und Gestank waren so gewaltig, durchdringend und alles beherrschend, dass die Handgranaten, normalerweise beängstigende Waffen, nicht wirksamer erschienen als Kinderspielzeuge.
    „Unteroffizier Stolte prüft nach, was passiert sein könnte.“
    „Dann war das keiner von euch?“
    „Wen meinen Sie mit euch?“
    „Kein Befehl von Klangfärber? Keine Maßnahme zur Verteidigung der Burg?“
    „Sicher nicht. Wir haben durch die Explosion ein verdammtes Riesenloch in einer der Kernburgmauern auf der anderen Seite und wissen jetzt nicht, von welcher Seite sie zuerst stürmen. Und der BMF gilt als verschollen.“
    „Wie bitte? Er wollte doch nur kurz in den Keller...“
    „Davon weiß ich nichts. Das Kommando hat jetzt der Unteroffizier.“
    „Wir müssen ihn suchen“, wandte sich Mertel an Niedermüller und wollte schon zum Abgang rennen, da hielt er inne und fragte noch:
    „Was ist mit dem Panzer?“
    „Auf Befehl von Unteroffizier Stolte unterwegs in Richtung Steinbruch. Derzeit besteht keine Funkverbindung.“
    „Verdammt. Richten Sie bitte Herrn Stolte aus, dass eine Evakuierung durch den Geheimgang nicht mehr möglich ist. Der Panzer ist jetzt unsere einzige Chance.“
     
    Franz von Neuminingen starrte, von selbstverliebter Begeisterung berauscht, auf seine Arme und Beine und konnte ihre neue Beweglichkeit kaum fassen. Er hatte wieder eine Art Haut und Muskeln und einen denkenden Verstand statt seines schwirrenden 500jährigen Hassrasens, das ihn umnebelt hatte wie eine Wolke aus Mücken und abgestrahlt aus den Mauern seines Verlieses, ohne dass er es willentlich gesteuert hätte.
    Er begann wieder – er selbst zu werden. Der einstige Burgvogt, ein gerechter Mann, kein kriegslüsternes Scheusal. Er war nicht wie diese Zombiehorde, die sich von ihm befehligt fühlte und scheinbar auf seinen Wunsch hier versammelt hatte. Sein Hass auf seine Peiniger und Einmaurer hatte ein Eigenleben geführt und nach allen Seiten durchgeschlagen. Jetzt war er frei, und sein Hass verflog.
    Er hätte sich zu gern in einem Bachlauf oder See gespiegelt, um sein Gesicht zu sehen. All die Jahrhunderte hatte es sich angefühlt wie das einer uralten Mumie, eben genau das, was es auch war. Jetzt war es wieder individuell. Dieses Mittel bewirkte wahrlich Wunder. Er hatte noch ein letztes Fläschchen davon, und das gedachte er zielgerichtet einzusetzen.
    Umschwärmt von seinen untoten Horden stand er zwischen Ravelin und Graben und benutzte seine neu erwachte Gedankenkraft. Sich damit einzureiben und es zu trinken hatte ihn fast wieder er selbst werden lassen, aber nur fast. Was konnte das letzte Wunder bewirken, das Wunder einer echten Menschenhaut und echter Menschengedanken?
    Er musste es in die Gewebe einführen!
    Franz von Neuminingen betrachtete die hirnlos durcheinander wogenden Zombie-Massen und schaute sich einzelne Exemplare näher an. Sie trugen Kleider, wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. Begriffe wie Jeans, T-Shirts oder Turnschuhe kannte er nicht. Niemand hatte Pferde, Werkzeuge oder Waffen. Wohin er auch schaute, es gab keine Schwerter oder Messer, nichts, womit man sich selbst verletzten konnte.
    Aber es gab immer noch den Stock, das Marterinstrument, in dem er 500 Jahre lang mit vorgestreckten Armen und Beinen gesessen hatte und in dem sie ihn hier herauf getragen hatten. Der zugespitzte Pflock, den sein Kerkermeister ihm

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