Toten-Welt (German Edition)
und ich dafür geradestehen soll.“
„Hau ihnen die Köpfe ab, dann ist es vorbei.“
„Aber das darf ich nicht.“
„Dann wird es übel ausgehen. Das Rad wird sie nicht töten.“
„Das weißt du also schon. Und doch hast du mir das Mittel für ihn gegeben.“
„Da ging es doch ums Schwert! Glaub mir, Meister, ich hätte das niemals getan, wenn ich gewusst hätte...“
Er nickte gutmütig und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Wir wollen sehen, was passiert. In Frankreich gab es mal einen, der hat eine Woche auf dem Rad durchgehalten. Alle wissen das. Viele wollen es ja so. Wir haben also ein paar Tage.“
Maria hätte ihm gerne zugestimmt. Aber sie sah nun den zerfledderten Kopf aus dem Grab ragen. Es war nicht mehr nur ein kleines Feuer, das hier glimmte. Die Hölle hatte sich bereits lichterloh auf Erden eingebrannt.
Carolus Melchenhain versuchte, seinen Arm zu bewegen, und verstand die Welt nicht mehr. Es tat nicht weh, keine Spur. Und wo gestern schwarz verbrannte, stinkende Risswunden prangten und ihn quälten, spannte sich saubere, neue Haut.
Er war unter entsetzlichen Schmerzen eingeschlafen oder wohl eher ohnmächtig geworden und nun so erholt erwacht, dass die Unbequemlichkeit seiner Lage ihm mehr zu schaffen machte als die bestialischen Verstümmelungen des vergangenen Tages.
Sie hatten ihn, wie es üblich war und er es selbst schon an Verurteilten oft genug mitangesehen hatte, mit Händen und Füßen so an eingeschlagene Pflöcke gefesselt, dass er lang am Boden lag, die Arme und Beine weit von sich gestreckt und praktisch unbeweglich. Unter seine Gelenke hatten sie Kanthölzer geschoben und ihn über Nacht in dieser Lage gelassen.
Das tat weh, nicht zu knapp. Aber dass der Nachrichter gestern schon mit dem Rädern angefangen hatte an beiden Armen, dass er ihm Unterarme und sogar Hände mit dem riesigen Wagenrad zerstoßen und zerschmettert hatte, das spürte er nicht mehr, denn es war wie durch ein Wunder verheilt. Die abgezogene Haut am Rücken schien über Nacht nachgewachsen zu sein, genau wie die Risswunden der glühenden Zangen. Nirgends war noch was zu spüren.
Erst jetzt fiel ihm der andere Kerl ein. Er hatte nicht allein leiden sollen, aber doch allein gelitten, denn der wie eine Bestie um sich schnappende Wahnsinnige hatte alles mit sich geschehen lassen als wäre es nichts. Nur Wutgebrüll, keine Schmerzenslaute.
Carolus Melchenhain verdrehte den Kopf, um nach ihm zu sehen. Seine Grollen hatte er bereits die ganze Zeit im Hintergrund gehört, ohne zu begreifen, woher es kam. Ihn hatte man, die Arme auf den Rücken gefesselt, an den Handgelenken an einem Baum aufgehängt und seine Füße mit Gewichten beschwert.
Die Höllenfolter hatte er selbst erlitten, wenn auch nicht auf freiem Feld, sondern bei der peinlichen Befragung in den Kellern des Rathauses. Die ausgekugelten Armen hatten ihn mehr gepeinigt als glühende Nadeln unter seinen Fingernägeln, sie erst hatten ihn gestehen lassen. Nun war auch diese Pein für ihn vergessen.
Und der andere Kerl spürte sie überhaupt nicht. Der glotzte zu ihm her wie ein gebundener Bär mit rasendem Hunger. Er wusste, dieser Hauptverbrecher hatte im Gegensatz zu ihm selbst ausgewachsene Menschen nicht nur gemeuchelt, sondern gefressen, und wüsste er es nicht, er hätte keinen Zweifel daran, dass er nun darauf aus war, ihn zu zerfleischen.
Carolus Melchenhain bemerkte, dass längst wieder erste Gaffer herbeigekommen waren. Einige hatten direkt unterm Richtpodest übernachtet, krochen nun hervor und stiegen, da er schräg daneben an die Erde gepflockt war, ungeniert über ihn hinweg. Noch war die Menge verschlafen, daher ruhig, großteils auf der Suche nach Essbarem und auch wie gebannt von dem Monster, das am Galgen des Richtpodestes weit über ihnen baumelte, nun immer lauter grollte und brüllte und Speichel um sich spie.
Der Henkersknecht, der in Vorhut seines Meisters dahergeschlendert kam, wusste nichts Besseres anzufangen, als ihm einen Stein dazu zu packen - als ob das bisschen mehr Gewicht, das nun unter der erheblichen Last an den Füßen hing und seinen Körper weiter dehnte, diesen Saukerl zur Räson bringen könnte. Es machte ihn nur noch rasender.
Auf Carolus Melchenhain freilich hatte dieser erste kleine Beginn der Tortur des zweiten Tages eine Wirkung, war er doch bei klarem Verstand und fähig, in die Zukunft zu denken. Es würde nun weitergehen, auch bei ihm. Es würde wieder weh tun, von Neuem scheußliche
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