Totenacker
zusammen das leckere Süppchen, und danach übernehme ich Paul. Dann hat Ulli mal ein bisschen Zeit für sich und kann ein paar Besorgungen machen oder wonach ihr sonst der Sinn steht.»
«Das ist wirklich nett von dir.»
«Von wegen nett, das ist der reine Egoismus. Ihr habt ja den Wald gleich gegenüber, und da dachte ich mir, ich mache mal einen Herbstspaziergang mit dem Kleinen. Gerade jetzt gibt es doch so viel zu gucken.»
Petrus Zomer hatte lackschwarzes Haar, einen ebenso schwarzen Vollbart und dunkle Augen – daher rührte wohl sein Spitzname.
«De zwarte Pit» war der holländische Name für «Knecht Ruprecht», den furchteinflößenden Begleiter des heiligen Nikolaus, und van Appeldorn hatte einen finsteren Mann erwartet, wortkarg und streng. Aber Zomer hatte so gar nichts Bedrohliches an sich, er war Mitte vierzig, ein bisschen übergewichtig, und seine Augen blickten humorvoll und warm.
Ackermann spielte den Maître de Plaisir, schenkte Kaffee ein und reichte Pappschalen mit frittierten braunen Bällchen herum, dazu Mayonnaise und Senf.
«Was ist das?» Penny schnupperte. «Kann man das essen?»
«Das sind Bitterballen», antwortete Zomer. «Schau mich an, wir Holländer essen die bei jeder Gelegenheit. Jupp wollte wohl, dass ich mich wie zu Hause fühle.»
Penny biss in ein Bällchen und machte ein komisches Gesicht. «Schmeckt gar nicht so schlecht …»
Zomer lachte. «Aber an die Konsistenz muss man sich gewöhnen, nicht wahr?»
«Wollen wir uns setzen?», fragte er dann und wischte sich die Hände an einer Papierserviette ab. «Ich komme nicht aus der Gegend hier, und ich spreche auch kein Platt. Für mich ist Deutsch eine Fremdsprache, wenn ich Fehler mache, müsst ihr das bitte entschuldigen.»
Sein Akzent war charmant.
«Ihr habt also den Verdacht, dass Monsanto hier bei euch Fuß fassen will.»
«Jupp hat den Verdacht», korrigierte van Appeldorn. «Wir anderen sind da wohl ziemlich unbedarft. Ich zumindest hatte bisher noch nie etwas davon gehört», gestand er.
«Dann sollten wir ein bisschen weiter ausholen, denke ich.» Zomer schaute Ackermann an, aber der hob beide Hände.
«Nee, nee, mach du dat ma’ lieber, du kannst dat bestimmt besser wie ich.»
«Also gut, der Name Rockefeller sagt euch doch bestimmt etwas.»
Nicken.
«Diese Rockefellers, eine sehr mächtige Familie übrigens, haben vor vielen Jahren einmal die Firma Monsanto gegründet, im Vergleich zu den anderen Unternehmen ihres Imperiums ein eher kleiner Betrieb, der Saccharin herstellte und Herbizide. Behaltet das einfach mal im Hinterkopf.»
Er überlegte und zupfte dabei an seinen Schnurrbarthaaren.
«In den siebziger Jahren kam in den USA die Sorge auf, die Entwicklungsländer könnten durch unkontrolliertes Bevölkerungswachstum und damit steigendem Nahrungsbedarf den Amerikanern die Lebensgrundlage entziehen. Also beauftragte die Nixon-Regierung Henry Kissinger damit, eine Lösung für dieses Problem zu finden.»
« Den Henry Kissinger?», fragte Bernie verblüfft.
« Den Henry Kissinger», bestätigte Zomer. «Kissinger verfasste 1974 sein ‹National Security Memorandum for Drastic Global Population Control›, also eine nationale Sicherheitsstudie zur weltweiten Geburtenkontrolle, deren Kerngedanke es war, das Bevölkerungswachstum über die Ernährung zu kontrollieren. Er entwarf eine ‹New Food Diplomacy› unter dem Motto: Belohne Freunde, bestrafe Feinde. Und prägte den Satz: Wenn du die Kontrolle über das Öl hast, kannst du Staaten kontrollieren, wenn du die Kontrolle über Nahrungsmittel hast, kontrollierst du Völker.
Die Studie formulierte das Ziel, die USA sollten die ‹Kornkammer› der Welt werden. Das hört sich harmlos an, ist es aber nicht, denn es ging darum, den USA möglichst schnell die Kontrolle über die gesamte Welternährung zu verschaffen. Völkern, die nicht willens oder in der Lage waren, ihr Bevölkerungswachstum zu kontrollieren, sollten Nahrungsmittel vorenthalten werden, forderte das Memorandum. Wenn unterlegene Rassen sich dem Sicherheitsbedürfnis in den Weg stellten, müsse man Mittel finden, sie loszuwerden.»
Zomer machte eine Pause. Die ungläubigen, schockierten Gesichter waren ihm nicht neu.
«Wie konnte der Plan, die USA zum Welternährer zu machen, umgesetzt werden?» Er stellte selbst die entscheidende Frage. «Die damalige US-Regierung suchte, unter der Beratung von Kissinger, dreizehn Länder aus, die den USA besonders gefährlich erschienen,
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