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Totenacker

Totenacker

Titel: Totenacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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kennenzulernen, Norbert. Er is’ nämlich der Kapitän vonne Nimweger Mannschaft, die am Sonntag gegen uns aufläuft.»

    Dr. Müller sei leider erkrankt, erfuhr van Appeldorn bei der Staatsanwaltschaft, in der Zwischenzeit betreue Dr. Stein seine Angelegenheiten.
    Van Appeldorn machte innerlich einen Luftsprung, er kannte Stein seit fast zwanzig Jahren, und ihre Zusammenarbeit war immer unkompliziert gewesen. Und so war es auch heute. Der Staatsanwalt stellte zwei, drei Fragen und sagte dann wie immer: «Ihr seid näher dran als ich, und ich bin mir sicher, dass ihr wisst, was ihr tut.»
    Er schaute in seinen Terminkalender. «Wenn Bonhoeffer Zeit hat … Mir würde heute Nachmittag um vier passen.»
    Van Appeldorn nickte anerkennend, er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde.
    «Auf welchem Friedhof liegt der Mann?»
    «Auf dem Friedhof in Hau.»
    «Gut, ich sage den Totengräbern dort Bescheid und kümmere mich um das Behördliche.» Stein stand auf und drückte van Appeldorn die Hand. «Wir sehen uns dann um sechzehn Uhr.»

    Cox war froh, dass endlich Ruhe eingekehrt war.
    Er überlegte einen Moment – eigentlich war er dazu nicht verpflichtet, aber er vergab sich ja nichts dabei …
    Kurz entschlossen wählte er die Nummer der Wirtschaftsförderung und ließ sich zum Chef durchstellen. Der Mann sollte erfahren, dass die Bauern in Bedburg verunsichert waren und womöglich gerade dabei, sich einem Unternehmen auszuliefern, von dem man noch nicht wusste, wes Geistes Kind es war.
    Dann nahm er sich endlich die Tatortfotos und van Gemmerns Notizen dazu vor und begann, Spurenakten anzulegen.
    Als das Telefon klingelte, hob er den Hörer ab, war aber so vertieft in seine Arbeit, dass er nicht verstand, wer was von ihm wollte.
    Der Kollege vom LKA blieb geduldig. «Die beiden Männer aus dem Grab konnten identifiziert werden. Wir haben eine Mail geschickt, schaut da mal rein.»
    Cox rief die Mail auf: Boris Godunow und Alexandr Repin waren 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, danach hatte nie wieder jemand etwas von ihnen gehört. Ihre Familien hatten die beiden Männer nach dem Krieg als vermisst gemeldet, und sie hatten immer noch auf der Liste des Internationalen Roten Kreuzes gestanden.
    Boris Godunow war 1906 geboren, also achtunddreißig Jahre alt gewesen, als er starb. Das Foto, das in seinen Militärunterlagen gewesen war, zeigte einen Mann mit hohen Wangenknochen und weit auseinanderstehenden Augen – slawische Gesichtszüge, wie Bonhoeffer gesagt hatte.
    Alexandr Repin sah aus wie vierzehn, obwohl er schon neunzehn gewesen war, als man ihn fotografiert hatte, dreiundzwanzig, als er ums Leben kam.
    1942 in Gefangenschaft geraten, dachte Cox, und dann hatte man sie als Zwangsarbeiter zum Schanzbau an der Westfront eingesetzt, so konnte es gewesen sein. Und als die Front vom Himmel gefallen war, waren sie verletzt worden, Godunow hatte sein Bein verloren und Repin sein Kindergesicht. Man hatte sie ins Antonius-Hospital gebracht, vermutlich hatte Zirkel sie operiert. Aber dann waren sie im Weg gewesen, «unwert», genauso wie die kleine Rosel mit dem Wasserkopf, Lis und Lisken, beide «verwachsen», hätte man früher gesagt, verwachsen und von fragwürdiger Moral.
    Er schüttelte langsam den Kopf. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass es nach fünfundsechzig Jahren noch möglich sein würde, die Opfer zu identifizieren, ihnen ihren Namen, ihre Geschichte wiederzugeben.
    Ob die beiden russischen Soldaten Nachkommen hatten, die sich an sie erinnerten?
    «Von Reiter nach wie vor keine Spur», lautete der letzte Satz der Mail aus Düsseldorf.
    Am Montag würde er noch einmal an der Heine-Uni ein bisschen Dampf machen wegen Reiters Dissertation, beschloss Cox, nahm sich dann ein Foto von einem Paar Gummistiefel vor, das neben einer Waschmaschine von anno Tobak stand, und versuchte, van Gemmerns Notizen zu entziffern. Konnte das «Hauswirtschaftsraum» heißen?
    Diesmal klingelte nicht das Telefon, sondern sein Handy. Es war Penny, und sie war sauer.
    «Van Gemmern ist nicht da!»
    «Was meinst du mit ‹nicht da›?», fragte Cox sanft. Wenn Penny diesen Ton in der Stimme hatte, sah man sich besser vor.
    «Welches der beiden Wörter verstehst du nicht?», fauchte sie. «Klaus ist weg! Er hat einem von seinen Lakaien letzte Nacht eine SMS geschickt. Er sei auf einem Kongress in Italien und nicht vor Samstag zurück.»
    «Das ist ein Witz, oder?»
    «Höre ich mich so an?

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