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Totenacker

Totenacker

Titel: Totenacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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zugeben musste – hinter ihm her in den Wald.
    Es hatte aufgehört zu regnen, manchmal schien sogar die Sonne durchs Blätterdach.
    Paul war sofort losgelaufen, den Weg entlang, der bergauf führte, stoppte dann aber plötzlich, drehte sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis, kam wieder zurückgerannt, strahlte den Onkel an und düste wieder ab.
    «So viel Renne im Bauch», dachte Fricka schmunzelnd. Das hatte Merle immer gesagt, als sie noch klein war. «Ich habe zu viel Renne im Bauch.»
    Der Boden war mit Blättern bedeckt, und Paul fand Spaß daran, sie mit den Füßen aufzuwirbeln.
    Dicht am Weg stand eine mächtige Eiche. Fricka blieb stehen und schaute hinauf, sie musste gut und gern hundertfünfzig Jahre alt sein.
    Paul stellte sich neben ihn und blickte ebenfalls nach oben.
    «Ein schöner alter Baum», sagte Fricka. «Eine Eiche.»
    «Der hat fast gar keine Blätter mehr», stellte Paul fest. «Weil Herbst ist», erklärte er.
    Fricka nickte und hob ein paar Blätter auf. «Das sind Eichenblätter.»
    Paul betrachtete sie kritisch. «Die sind langweilig», beschloss er. «Ich finde rote und gelbe schöner.»
    «Mag sein, aber tu mir die Eichen nicht so schnell ab. Sie mögen im Herbst langweilige braune Blätter haben, dafür haben sie aber ganz besondere Früchte.»
    «Früchte?» Paul machte große Augen. «Kann man die essen?»
    «Wir Menschen nicht, für uns sind die viel zu bitter. Aber Schweine mögen Eicheln sehr gern.»
    «Wildschweine?» Paul klang alarmiert. «Im Tiergarten sind Wildschweine. Die stinken und gucken böse.»
    Er griff nach Frickas Hand, der musste lachen. «Mach dir keine Sorgen. Wildschweine haben Angst vor Menschen. Solange wir hier sind, lassen die sich nicht blicken. Aber nachts, wenn wir schlafen, kommen sie raus und suchen nach Leckerbissen. Welche Süßigkeit isst du denn am liebsten?»
    «Gummibärchen.»
    «Hm, den Wildschweinen schmecken Eicheln genauso gut wie dir Gummibärchen. Ach, guck mal, hier sind welche.»
    Fricka hob eine Handvoll Eicheln auf. «Die glänzen schön, nicht wahr?»
    Paul nickte andächtig und schaute.
    Er hat den gleichen Blick wie Norbert damals, dachte Fricka.
    «Daraus kann man Männchen basteln oder Tiere», erklärte er. «Kastanien eignen sich auch dafür.»
    «Kastanien sind eklig.»
    «Bastelt ihr so was nicht im Kindergarten?»
    «Nö.»
    «Guck mal, hier ist eine, die ihr Hütchen noch nicht verloren hat. Siehst du, die könnte man als Kopf nehmen.»
    «Stimmt, ein Kopf mit Hut. Aber Augen und Mund muss man noch malen.»
    «Genau. Wir könnten welche sammeln, und wenn ihr zu Hause Streichhölzer habt, basteln wir beide zusammen Tiere und vielleicht ein paar Gruselmonster.»
    Fricka zog ein großes Taschentuch aus der Hose und breitete es aus. «Hier können wir sie reintun.»
    Paul machte sich sofort mit Feuereifer ans Werk. Seine Finger verharrten über einem Stück Flechte. «Das sieht aus wie Haare.»
    «Ja, stimmt, sammel es ruhig ein, das können wir bestimmt gebrauchen.» Fricka bückte sich und knotete das Tuch zusammen. «Das sind genug. Ein paar müssen wir liegen lassen, damit daraus neue Bäume werden können.»
    Paul zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. «Daraus werden Bäume?»
    «Ja sicher, das ist genauso wie bei Äpfeln zum Beispiel. Wenn wir die nicht ernten und aufessen, fallen sie auf die Erde, und aus den kleinen, braunen Kernen, die du ja kennst, wachsen neue Apfelbäume.»
    «Echt?»
    «Ja, echt.»
    Fricka bückte sich wieder und hob noch eine Eichel auf. «Diese Eichenfrucht fällt auf den Boden, Blätter legen sich darüber, die langsam zu Erde werden. Die Eichel liegt darunter versteckt und hat es ganz gemütlich, obwohl der kalte Winter kommt mit Eis und Schnee. Und wenn es dann wieder Frühling wird, dann kommt an dieser Stelle hier ein kleiner Spross heraus und drängt ans Licht, dorthin, wo es hell und warm ist. Ein Spross erst, dann kommen die ersten beiden Blättchen, dann immer mehr, und schließlich wird aus diesem kleinen Racker hier ein großer Eichenbaum, wie der hier vor deiner Nase.»
    Über Pauls Gesicht breitete sich ein Leuchten aus. «Wie bei Kresse», rief er. «Die haben Mama und ich gesät, im Blumentopf, da kamen auch kleine Blätter raus.»
    «Ja, wie bei Kresse.» Onkel Fricka freute sich. «Die Eichel ist auch ein Samen, nur eben größer als Kressesamen, weil ja auch ein großer Baum daraus werden soll.»
    «Okay», sagte Paul freundlich und hüpfte davon.
    Fricka ging langsam weiter.

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