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Totenacker

Totenacker

Titel: Totenacker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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weil ihr Bevölkerungswachstum sehr hoch war und deren Verbrauch von Nahrungsmitteln dringlichst reduziert werden musste. Zu den Ländern gehörten unter anderen Mexiko, Brasilien, Indien, Nigeria, aber auch die Türkei.
    Die Familie Rockefeller, die den US-Regierungen immer schon aufs engste verbunden war, schickte ihre damals noch kleine Firma Monsanto ins Rennen. Und Monsanto verkündete noch im selben Jahr ein neues Firmenkonzept, die ‹Green Revolution›, deren Grundidee es war, kleine Bauernbetriebe in Landwirtschaftsfabriken, sogenannte ‹Factory Farms›, umzuwandeln und aus Agrikultur Agriwirtschaft zu machen. Das Wort ‹Agrobusiness›, das heute manchem so leicht von den Lippen geht, hat dort seinen Ursprung.»
    «Agrobusiness», warf Ackermann hitzig ein, «hieß nix anderes, als die kleinen Bauern inne Wüste zu schicken un’ riesige Monokulturen anzulegen, Betriebe, die angewiesen sind auf Saatgutimporte aus USA.»
    «Das ist richtig», bestätigte Zomer. « Monsanto entwickelte nämlich für diese Schwellenländer neue Hybridsamen, die kaum reproduktionsfähig sind, sodass Jahr für Jahr wieder Saatgut bei Monsanto eingekauft werden muss. Und auf dieses genveränderte Saatgut hat Monsanto Patente, also zahlen die Landwirte nicht nur für die Samen, sondern zusätzlich auch noch Lizenzgebühren. Und wenn doch einmal ein Bauer heimlich Samen zurückbehält und im folgenden Jahr ausbringt, zahlt er horrende Strafen.»
    «Un’ dat bedeutet», mischte Ackermann sich wieder ein, «bevor du wat zu fressen has’, brauchste ers’ ma’ ’ne Menge Knete. Un’ wenn de die nich’ has’: Pech! So kriegt man die Bevölkerung in null Komma nix reduziert, dat sag ich euch.»
    «Die USA haben es aber lange verstanden, ihre Idee werbewirksam zu verkaufen», sagte Zomer. «Seht her, die Vereinigten Staaten garantieren der Welt – auch den armen Entwicklungsländern – eine absolute Nahrungssicherheit! Nahrungssicherheit ist das Schlüsselwort. Und sie sind gar nicht schlecht gefahren mit dieser Politik.» Er schaute Ackermann an. «Die Zahlen hast du besser im Kopf.»
    «Ja, ja.» Ackermann klang ungeduldig. «Dat hab ich Norbert alles schon erzählt, als ich versucht hab zu erklären, wer auf dieser verkommenen Welt wirklich die Macht hat.»
    «Es klingt vielleicht naiv», sagte Penny, «aber wieso steht keiner auf und tut etwas dagegen, wenn man das alles weiß?»
    «Nun ja», antwortete Zomer. «Es hat lange gedauert, bis man das Ganze durchschaut hatte, und ein bisschen tut sich ja auch etwas. Es gibt mittlerweile eine weltweite Gegenbewegung, nicht nur in den betroffenen Schwellenländern. Auf einem ‹World Food Summit› hat sich 1996 ein Bauernnetzwerk gegründet, das sich ‹La Via Campesina› nennt und deren Motto lautet: Der Anbau des eigenen Saatgutes ist bereits Widerstand gegen die Globalisierung.»
    «Wenn ich dat kurz einwerfen darf – wat dat Wort ‹Globalisierung› angeht, hat Freund Kissinger et von Anfang an auf’n Punkt gebracht: Globalisierung bedeutet konkret die Vorherrschaft der USA auf der Welt.»
    «Stimmt, Jupp. Und ‹La Via Campesina› will jetzt regionale Saatgutzentren aufbauen, um Nahrungssouveränität zu erreichen.»
    «Im Gegensatz zu Nahrungssicherheit, die der Große Bruder so gern für alle Zeiten gepachtet hätt’. Überall auffe Welt wollen die Bauern wieder ihr eigenes Ding machen.»
    «Ich verstehe», nickte van Appeldorn. «Wie du gesagt hast: Kartoffeln in Peru, Reis in Indien, Mais in Mexiko …»
    «Genau!»
    «Tja, so einfach wird es nicht werden», wandte Zomer ein. «Da die Globalisierung inzwischen so weit fortgeschritten ist und wirtschaftliche Interessen ja immer über allem stehen, hat die Idee der Nahrungssouveränität mächtige Gegner. Die USA natürlich, aber auch die EU, die World Trading Organisation, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds, zum Beispiel. Die alle tragen dazu bei, dass heute, 2009, 97 % aller Saatgutpatente im Besitz von Unternehmen aus Industrieländern sind, während 90 % aller biologischen Ressourcen auf der Südhälfte der Erde liegen, nämlich in den sogenannten Schwellenländern.»
    «Patente auf Lebewesen», rief Cox. «Was für ein Irrsinn!»
    «Kalkulierter Irrsinn», bemerkte Schnittges böse.

[zur Inhaltsübersicht]
    Achtzehn
    Fricka hielt Pauls Hand ganz fest, als sie die Straße überquerten, dann hob er den Jungen über einen kleinen Graben und stapfte – ein wenig steifgliedrig, wie er

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