Totenacker
aus, als hätte ich die falschen Signale ausgesendet, das ist mir noch nie passiert. Eben steht Klaus van Gemmern bei mir vor der Tür und will mit mir über unsere Zukunft sprechen – seine und meine. Jetzt wartet er in der Osteria bei mir um die Ecke. Ich dachte, beim Essen redet es sich leichter. Ich werde es vorsichtig angehen müssen, denn es sieht ja so aus, als würden wir demnächst miteinander arbeiten. Ich krieg’s schon hin. Rufst du mich heute Abend an? Vor Mitternacht gehe ich nie schlafen.
Gruß von Marie»
Petrus Zomer amüsierte sich köstlich über die «Siegfried Kampfbahn».
«Ich hoffe doch, wir können mit ein paar Walküren am Spielfeldrand rechnen», lachte er.
«Die die toten Helden nach Walhall bringen?», fragte Ackermann. «Klasse Idee!»
Van Appeldorn freute sich zum einen, dass die bissigen Kommentare zum deutschen Nazitum, die er seine ganze Jugend hindurch bei sportlichen Begegnungen mit Niederländern hatte durchleiden müssen, ausgeblieben waren, und wunderte sich gleichzeitig einmal mehr über Ackermann.
Der grinste frech. «Mit Wagner kennste dich wohl nich’ so gut aus, wa?»
Zomer schaute sich gründlich um. «Eine schöne Anlage, wir werden viel Spaß haben, da bin ich sicher. Dann fahre ich mal nach Hause und mache mich an die Arbeit. Ich melde mich bei euch, wenn ich etwas herausgefunden habe. Sonst sehen wir uns am Sonntag.»
Die ersten Spieler des Klever Teams kamen auf den Platz gelaufen.
Zomer tätschelte van Appeldorn den Arm. «Mach dir keine Gedanken, mein Freund. Wenn es 4:0 für Nijmegen steht, spielen ein paar von uns bei euch mit.»
Ackermann holte aus, und Zomer sah zu, dass er Land gewann.
«Warte ma’ ebkes, Norbert», hielt Ackermann van Appeldorn zurück. «Ich hab mir da wat überlegt. Die Toten aussem Grab am Opschlag müssen doch irgendwie unter de Erd, un’ dat muss doch irgendwer bezahlen. Wat hältste davon, wenn wir dat als Benefizspiel machen un’ dat Preisgeld für de Beerdigungen spenden? Die Holländer hätten bestimmt nix dagegen. Außerdem könnten wir dann Eintritt nehmen, da käm’ bestimmt ’n nettes Sümmken zusammen.»
«Die Idee ist gut», stimmte van Appeldorn zu. «Aber jetzt ist es zu spät. Da hätte man die Presse längst informieren müssen.»
Ackermann zwinkerte ihm zu. «Lass mich ma’ machen.»
Van Appeldorns Handy meldete sich, er schaute aufs Display, das musste Cox sein.
«Was gibt’s?»
«Bei uns im Büro sitzt Volker Hetzel. Penny versucht gerade, zu verhindern, dass er hyperventiliert.»
«Das klingt nach Hetzel, ja. Und was ist ihm diesmal widerfahren?»
«Er hat einen Brief bei sich. Die Firma Greenparc zeigt ihn an, auf seinem Grund und Boden widerrechtlich den patentierten Mais MON 810 ausgebracht zu haben.»
«MON 810», murmelte van Appeldorn und sah, wie Ackermann einen Satz machte.
«Ja, und Norbert, die Anzeige kommt aus St. Louis, Missouri, USA.»
«Verdammte Scheiße! Er soll warten, ich drücke einem anderen das Training aufs Auge und bin gleich da.»
«Hetzel?», fragte Ackermann kurzatmig.
Van Appeldorn konnte nur nicken.
«Hab ich et dir nich’ gesagt? Ich komm mit.»
«Ich bitte darum, Jupp.»
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Neunzehn
Wenn ein Leichnam aufgrund einer unklaren Todesursache obduziert werden musste, war die Anwesenheit eines Kripobeamten Vorschrift, aber in der Regel drückte sich jeder, so gut er konnte, da war Bernie bisher keine Ausnahme gewesen.
Wenn der Pathologe zum Y-Schnitt ansetzte, spätestens aber, wenn das Sirren der Säge, mit dem das Brustbein durchtrennt wurde, einsetzte, hatte er sich immer schleunigst nach draußen verzogen und war erst wieder in den Raum zurückgekehrt, wenn alle Organe entnommen, gewogen und sicher verstaut worden waren.
Heute jedoch hatte er sich vorgenommen, von Anfang bis Ende dabeizubleiben, auch wenn es ihn einige Überwindung kostete, denn der Verwesungsprozess an Vermeers Körper war schon fortgeschritten.
Er setzte eine Haube auf, band sich einen Mundschutz um, zog Kittel und Handschuhe an. Bonhoeffer hielt ihm einen rosa Tiegel hin. «Eine Salbe aus Kampfer und Eukalyptus. Tupf dir etwas davon unter die Nase, dann lässt es sich besser aushalten.»
Er musterte Bernie genau. «Glaubst du, du schaffst es, mir gleich beim Umdrehen zu helfen? Sonst müsste ich mal eben nach einem Assistenten telefonieren.»
«Ich will es gern versuchen», antwortete Schnittges, besonders unwohl war ihm eigentlich nicht.
Bonhoeffer
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