Totenacker
Eukalyptusbonbons, und Bernie lief ein Schauer über den Rücken.
«Lass mich raten», sagte er. «Du hast gestern Abend doch noch weitergearbeitet.»
Bonhoeffer lächelte reuig. «Die Macht der Gewohnheit. Ich schaffe es einfach nicht, etwas halbfertig liegenzulassen. Außerdem ging die eigentliche Sektion ja zügig, dank deiner willkommenen und sehr hilfreichen Assistenz.»
Bernie spürte, dass er rot wurde, und ärgerte sich.
«Du hast bei der Obduktion assistiert?» Van Appeldorn mochte es kaum glauben. Ausgerechnet Bernie, der sich immer die abenteuerlichsten Ausreden einfallen ließ, wenn seine Anwesenheit in der Prosektur erforderlich war. Meist mussten seine Geschwister herhalten: Eine seiner Schwestern hatte vorzeitige Wehen bekommen und brauchte ihn an ihrer Seite, oder sein jüngster Bruder war mit dem Auto liegengeblieben und musste abgeschleppt werden. Einmal hatte er behauptet, der Geruch von Formalin löse bei ihm eine allergische Reaktion aus, die zu schwerer Luftnot führe.
Penny betrachtete Bernie noch ein bisschen neugieriger und nickte vor sich hin.
Bonhoeffer zog seinen Trenchcoat aus und setzte sich. «Gereon Vermeer hatte eine hohe Dosis Digitalis im Blut, Digoxin, ein Herzmittel.»
Van Appeldorn schaute Penny an. «Hatte Vermeer Probleme mit dem Herzen?»
«Nein, er war kerngesund!»
«Er hat das Mittel oral zu sich genommen», fuhr Bonhoeffer fort. «Ich habe noch pulverige Rückstände davon in seinem Mageninhalt gefunden. Der bestand aus Flocken, Körnern, Früchten und Milch, also vermutlich einem Müsli, und war noch relativ unverdaut, außerdem Kaffee.»
«Gereon ist vergiftet worden?» Cox schluckte.
«Nun ja, das Digoxin war nicht tödlich, aber die Konzentration im Blut weist darauf hin, dass es schon kurz nach der Einnahme zu heftigen Reaktionen gekommen sein muss: Erbrechen, Durchfall, Herzrhythmusstörungen und einem massiven Blutdruckabfall. Gestorben ist Vermeer letztendlich an inneren Blutungen, verursacht durch den Motorradunfall. Aber nach meinen Berechnungen muss er das Digoxin nur kurze Zeit vor seinem Unfall zu sich genommen haben, ungefähr sechzig Minuten vorher. Deshalb gehe ich davon aus, dass seine körperliche Reaktion auf das Gift zu dem Unfall geführt hat.»
Penny schossen die Tränen in die Augen. «Ich habe es immer gesagt, er ist die Kurve nicht zu schnell angegangen.»
«Die Dosis war nicht tödlich?», bohrte van Appeldorn nach.
«Nein», bestätigte Bonhoeffer. «Es wäre ihm sehr schlechtgegangen, aber daran gestorben wäre er nicht.»
«Wir müssen mit seiner Frau sprechen: Wer wusste von der Motorradtour? Was war an dem Morgen? Ich übernehme das», beschloss van Appeldorn nach einem Blick auf Penny und Cox.
Van Gemmern stolperte herein. «In Schravens Küche finden sich Fingerspuren von drei verschiedenen Personen», nuschelte er. «Die meisten stammen von Schraven selbst.»
«Einige könnten von meinem Onkel sein», sagte van Appeldorn. «Er hat jeden Abend bei Schraven Milch geholt.»
«Und die anderen müssen vom Schwager stammen, der den Hof versorgt hat, als Schraven im Krankenhaus lag», meinte Penny, «Markus Heller.»
Van Gemmern überlief ein Zittern. «Ich bin etwas übermüdet», brummte er und wandte sich wieder zur Tür. «Ich schicke jemanden raus, der die Vergleichsabdrücke nimmt. Wo finden wir deinen Onkel, Norbert?»
Van Appeldorn sagte es ihm. «Zu Heller brauchst du keinen zu schicken, mit dem müssen wir sowieso sprechen. Es könnte sein, dass ihm auf dem Hof etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Rufst du ihn an, Peter? Er soll möglichst heute noch kommen. Die Telefonnummer seiner Frau steht in Pennys Bericht.»
«Vom Schwager brauche ich auch DNA», sagte van Gemmern.
«Warum?»
«Abgleich», antwortete er achselzuckend. Seine Augen glänzten fiebrig. «Ich fahre zum Hof raus, meine Leute haben dort Brandspuren entdeckt. Rekonstruktion des Tathergangs morgen.» Damit war er schon wieder weg.
Penny und Schnittges durchstöberten noch einmal das sechs Quadratmeter kleine Kabuff, in dem Schraven seine Papiere gehortet hatte. Das Fensterchen hatten sie weit geöffnet, trotzdem nahm einem der Muffgeruch fast den Atem.
«Hier, dieselben Prospekte, die auch Britta hatte.» Penny zeigte Schnittges die Papiere. «Das heißt wohl, dass die Greenparc -Leute auch bei Schraven waren.»
Ein Blatt fiel zu Boden. Bernie hob es auf. «Das scheint eine Aufstellung der Beträge zu sein, die Schraven im letzten Jahr durch
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