Totenacker
sind pünktlich eine halbe Stunde vorm Anpfiff da. Wenn ich Fricka so lange noch bändigen kann, von deinem Sohn mal ganz zu schweigen.»
Aber van Appeldorn kam kaum auf den Parkplatz. Mehrere Übertragungswagen standen dort und jede Menge anderer Fahrzeuge.
Er stellte sein Auto einfach quer vor der Garage des Vereinswirts ab.
Menschen wimmelten herum, sprachen in Handys, machten sich Notizen auf Klemmbrettern.
Mittendrin Heinz Winkels, der Vereinsvorsitzende, stolz wie ein Gockel.
Van Appeldorn stürmte auf ihn zu. «Was ist denn hier los?»
Winkels’ Blick war die reine Missbilligung. «Benefizspiel. Gott sei Dank hatten wir noch ein altes Banner.» Er zeigte nach oben.
Unter dem Schriftzug «Siegfried Kampfbahn» hatte man, leicht windschief, ein verblasstes Spruchband aufgehängt: «BENEFIZSPIEL». Das «F» von «für» konnte man noch erkennen, der Rest war mit Gaffertape überklebt.
«Das hättest du aber wahrhaftig ein bisschen früher sagen können!»
Van Appeldorn schloss die Augen. «Ackermann!»
«Ja, genau, der hat alles in die Hand genommen, du warst ja nicht da. Ein echtes Organisationstalent, so einen könnten wir brauchen. Hat sogar ein Kassenhäuschen mitgebracht, dabei hätte er das gar nicht müssen. Seine Frau kassiert übrigens den Eintritt. Die ganze Presse ist da, auch aus Holland und sogar RTL. Der WDR schneidet live mit und bringt dann die Ausschnitte die ganze Woche über in der ‹Aktuellen Stunde›.»
Van Appeldorns Magen ballte sich zu einer steinharten Kugel.
«Wo ist der Kerl?»
«Wer?»
«Ackermann!»
«Der sitzt in der Schankstube und gibt Interviews. Ich hab das ja alles gar nicht gewusst. Ich meine, klar hatte ich in der Zeitung von dem Massengrab gelesen, aber dass es keine Verwandten mehr gibt, die die Beerdigung bezahlen können, tja, über so was denkt unsereins ja nicht nach. Der Schiri will dich übrigens sprechen.»
«Welcher Schiri? Ich dachte, Franz wollte pfeifen, das hatten wir doch so abgesprochen.»
Winkels tippte sich an die Stirn. «Nein, mein Lieber, für so ein Ereignis muss ein Profi her. Jupp hat das in meine Hände gelegt, und ich habe das auf die Schnelle tatsächlich noch organisiert gekriegt. Man ist ja lange genug dabei.»
Van Appeldorn mahlte mit den Zähnen. «Ich bring ihn um!»
«Sind Sie der Trainer?» Eine junge Frau mit neongelben Korkenzieherlocken hielt ihm ein Mikrophon unter die Nase.
«Nein!», blaffte er sie an. Sie zog den Kopf ein und entfernte sich rasch.
«Die Holländer sind übrigens schon da, und deine Jungs sitzen auch schon in der Kabine. Die scheinen ziemlich sauer zu sein, dass sie in den abgelegten Trikots von der Ersten Mannschaft auflaufen sollen.»
Van Appeldorn schulterte seine Tasche. «Das wussten sie, und es hat sie bisher auch nicht gestört.»
«Da kamen sie ja auch noch nicht im Fernsehen.»
Auf dem Weg in die Kabine fing ihn der Schiedsrichter ab. Er war schon in voller Montur und hatte sogar zwei Assistenten dabei. Alle drei waren ausgesucht gut gelaunt.
«Sie sind der deutsche Trainer, nicht wahr? Herr Winkels hat mir etwas von zweimal zwanzig Minuten gesagt. Das geht unter diesen Umständen natürlich gar nicht. Sie, wir alle würden uns ja vor der Weltöffentlichkeit lächerlich machen. Volle Distanz, neunzig Minuten, etwas anderes kommt gar nicht in Frage, immerhin filmt das Fernsehen live mit.»
Van Appeldorns Protest schnitt er gekonnt ab. «Das niederländische Team ist sehr erfreut darüber, mit denen habe ich bereits gesprochen. Ihre Mannschaft scheint da eher geteilter Meinung zu sein, aber das ist das Problem des Trainers.» Er schaute auf seine eindrucksvolle Armbanduhr. «Wir sehen uns in fünfundfünfzig Minuten.»
Schuster kam ihm schon entgegengelaufen. «Neunzig Minuten! Das mach ich nicht mit, ich fahre nach Hause. Sieh zu, wie du klarkommst.»
«Das bleibt natürlich ganz dir überlassen.» Van Appeldorn musterte ihn kalt. «Hast du eigentlich schon mal was von gefälschten Protokollen gehört?»
Schuster verschluckte sich an einer Verwünschung und schlich in die Kabine zurück.
Dreißig Minuten lang ging alles gut – Kleve führte durch ein spektakuläres Ackermanntor –, dann begann das Elend. Van Appeldorn konnte gar nicht so schnell auswechseln, wie ihm Spieler auf dem Platz in die Knie gingen.
«Wo ist mein Traubenzucker? Jemand hat mir meinen Traubenzucker geklaut», jammerte Heuvens, dem das Blut über die Finger lief, weil er gar nicht mehr aufhörte, sich
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