Totenbeschwörung
Frau hatte Zeit für andere Männer, solange Turkur Tzonov sich in der Nähe aufhielt. Was bedeuteten denn schon andere Männer im Vergleich zu ihm? Was allerdings Siggi anging ... Für gewöhnlich war ihr Geschmack unfehlbar. Also durfte es sich gar nicht um eine Geschmacksfrage handeln. Siggi konnte ganz einfach nicht anders. Und eine Frau, die eben einfach nicht anders konnte, war nun mal eine ...
Tzonovs Gedanken liefen reichlich verquer, sobald es um sein Ego ging. Nicht anders schätzte Siggi ihn ein, während sie sich bereitmachte, diesen Besucher namens Nathan Kiklu zu befragen.
Was nun Turkur Tzonovs unausgesprochene Order betraf, sie solle sich Nathan auf einer völlig unpersönlichen Ebene nähern – etwas anderes hatte sie nie vorgehabt! Nathan stammte aus einer fremden Welt, Starside, und wer konnte, allen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Trotz, schon sagen, welche Erreger er in seinem Blut mit sich schleppte? Was zählte, war sein Innenleben. Andererseits ... Vielleicht war es an der Zeit, dass Turkur endlich begriff, wie sehr sie es verabscheute, dass er sich einmischte. Sie konnte sehr gut auf sich selbst aufpassen und brauchte niemanden, der ihr das abnahm.
Langsam, nachdenklich zog Siggi sich an. Mit Bedacht vermied sie es, etwas anzuziehen, was nach Uniform oder Militär aussah. Das Letzte, was sie wollte, war, irgendwie distanziert oder gar offiziell zu wirken. Sie versuchte es auf die sanfte Tour und musste eher wie ein Mädchen denn wie eine Frau aussehen. Er sollte in ihr eine Vertrauensperson sehen, nicht jemanden, der ihn verhören wollte. Dieser Mann aus dem Tor hatte seine Erfahrungen mit Frauen gemacht. Das war ihr in dem Augenblick klar gewesen, als sie ihn zum ersten Mal auf dem Bildschirm gesehen hatte. Aber er war viel zu jung und ungestüm – und wohl auch zu primitiv, wenn man bedachte, wo er herkam – um nicht auf die Waffen einer Frau, noch dazu einer intelligenten, hereinzufallen!
Das jedenfalls dachte Sigrid Dam. Aber wie heißt es so schön? Irren ist menschlich ...
Als sie fertig war, begutachtete sie das Ergebnis in dem armseligen Spiegel, der in ihrem Zimmer hing. Sie hatte sich absichtlich für Erdfarben entschieden, auch wenn sie nicht zu ihr passten. Sie wollte auf den Besucher nicht zu strahlend oder gar fremdartig wirken. Dem Wenigen zufolge, was das russische E-Dezernat über Starside wusste, war es dort düster und trostlos, ohne jeden Farbtupfer, und die blassen Braun- und Gelbtöne von Nathans Kleidung schienen dies zu bestätigen. Es handelte sich um eine Welt, die von Zigeunern bevölkert war. Auf der einen Seite des Grenzgebirges lebten nomadisierende Stämme, auf der anderen die Wamphyri.
All dies hatten sie von den Briten erfahren, in jener kurzen Periode der Annäherung, nachdem Harry Keogh zum Vampir geworden und nach Starside geflohen war. Siggi verstand sehr wohl, weshalb Tzonov so begierig darauf war, mehr über die Welt hinter dem Tor und ihre Bewohner herauszufinden. Es ging ihm nicht so sehr darum, die Briten zu übertreffen, sondern er brauchte dieses Wissen, um seine Vorbereitungen entsprechend auszurichten. Immerhin wollte er dort einmarschieren und Starside ausplündern, um es zu einem neuen Satellitenstaat von Mütterchen Russland zu machen – vorausgesetzt die andere Seite schlug nicht zuerst zu. Und auch die Befürchtungen, die Tzonov in dieser Hinsicht hegte, konnte Siggi gut nachvollziehen. Er hatte ihr Videoaufzeichnungen aus den Archiven von Perchorsk gezeigt. Darauf war zu sehen, was zuvor so alles durch das Tor gekommen war ...
Ihr schauderte. Sie wischte den Gedanken beiseite und warf einen letzten Blick in den Spiegel.
Sie war eine Schönheit und sah aus, als sei sie dem Titelfoto eines Hochglanzmagazins entsprungen – allerdings keines Modemagazins, es sei denn, der Zigeunerlook wäre wieder angesagt. Nun, es gehörte zu ihrem Plan, und sie durfte sich nicht beklagen. Sie hatte ja nicht vor in Paris auszugehen, und sie musste auch keinen Abend in der amerikanischen Botschaft in Moskau verbringen, um jemanden bei einem kalifornischen Chardonnay zu bezirzen und telepathisch auszuhorchen.
Sie sah aus wie eine Zigeunerin, zumindest was ihre Kleidung anging. Es passte zwar nicht ganz zu ihr, aber der Besucher wirkte ja auch nicht unbedingt wie ein Zigeuner. Er hätte sogar als Däne durchgehen können. Nun ja, eher als Wikinger. Lediglich was er anhatte, verriet den Zigeuner, und vielleicht noch der goldene Ring in seinem
Weitere Kostenlose Bücher