Totenbeschwörung
zu. Verdammt nochmal, bei mir in der Räudenstatt gibt es ohnehin schon zu viele Weiber! Und wenn ich einmal weg bin, so wie jetzt, zanken sie ohnehin nur. Du musst wissen, Nestor, dass sie sich um meine Zuneigung streiten!
Nestor bezweifelte dies, erwiderte jedoch nichts. Er nahm viel eher an, dass Cankers Frauen sich darum zankten, welche von ihnen das Vorrecht haben sollte, dem Bett ihres Herrn und Gebieters fernzubleiben! Diesen Gedanken behielt er allerdings wohlweislich für sich. Doch zur Hölle mit der Räudenstatt! Tatsache war, dass es in der Saugspitze zu wenige Frauen gab und zu viele Leutnants und Knechte. Nestor musste zusehen, dass er sie irgendwie zufriedenstellte! Denn unzufriedene Männer fingen an nachzudenken und womöglich Ränke zu schmieden; und dies konnte sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, die in der Regel mit dem Tod endeten, was letztlich einen Verlust für die Feste bedeutete. Andererseits sollten Vampirknechte ja nicht glücklich und zufrieden sein, sondern ... Aber zumindest konnte er ihnen ihr Schicksal etwas erleichtern!
Nestor hatte nicht aufgepasst, darum bekam Canker diesen letzten Gedanken mit. »Du hast recht!«, bellte der Hunde-Lord durch das Tosen des Windes. »Du musst sie bei der Stange halten. Denn sei gewiss, jetzt, in diesem Augenblick, werden einige bereits lüsterne Blicke nach deinen Frauen werfen – aye, und nach der Saugspitze gieren! Das ist nun mal so, sonst würde sich ja nie etwas ändern und keiner würde je zum Wamphyri aufsteigen!«
Nestor nickte und entgegnete grimmig: »In der Tat! Das Einzige, was zählt, ist die Macht zu erlangen!«
»Eben!«, heulte Canker. »Und ohne frisches Blut – unter den Wamphyri, meine ich – würden wir alle versauern und genauso ein Haufen alter Tattergreise werden wie das Pack, das wir in Turgosheim hinter uns gelassen haben.«
»Irgendwann musst du mir einmal alles darüber erzählen«, sagte Nestor, »die ganze Geschichte. Aber vorerst ... sollten wir leise sein. Nur noch wenige Kilometer, und der Pass liegt hinter uns. Von jetzt an heißt die Devise: absolute Ruhe!«
Wie du meinst! Canker schwieg einen Moment. Doch dann entfuhr es ihm: Ah! Ich kann sie schon von hier aus riechen, Nestor! Szgany! Frisches Fleisch – süßes, heißes Blut – junge Brüste, Hintern und ... Alles im Überfluss! Was mich angeht, ich riskiere es gern, von einem verirrten Armbrustbolzen getroffen zu werden, wenn ich dabei nur Gelegenheit habe, selbst auch zum Schuss zu kommen!
Musst du wieder dafür Sorge tragen, dass die anderen auch das richtige Bild von dir haben? Nestors Stimme troff vor Sarkasmus, doch Canker ging nicht darauf ein.
Nein, mein Sohn, diesmal nicht. Heute geht es mir nicht um den Eindruck, den ich hinterlasse, nur um meine Lust! Ich brauche eine frische, makellose Frau! Vielleicht auch mehrere!
Du alter Lüstling!, entgegnete Nestor, allerdings ohne jede Bosheit. Du bist ein Satyr!
Keineswegs, grinste Canker. Ich bin lediglich Wamphyri! Nicht anders als du, mein Junge ...
Das Ende des Passes kam in Sicht. Dahinter lag die Sonnseite. Am fernen Horizont erstarb das letzte Licht, wurde zu einem ins Bräunliche gehenden orangenen, dann schmutzig-fahlen, gelben Glühen und schließlich zu einem dunklen Blau. Nestor und Canker befahlen ihren Bestien, höher zu steigen, höher, bis sie zwischen den südwärts ziehenden dunklen Wolken dahinglitten. Sollte sie jemand vom Boden aus beobachten, würde er nur zwei weitere Wolken sehen, die der untergehenden Sonne entgegenstrebten.
Die Jagd war eröffnet; denn nun befanden sie sich über dem Gebiet der Szgany. Als Nestor sich an die Spitze setzte und mit den Wolken über den Wald hinwegjagte, wollte Canker von ihm wissen: Und wo gedenkst du mich hinzuführen? Mann, der Wald ist verdammt dicht und die Szgany kennen sich hier um einiges besser aus als wir! Wir sollten uns an den Rand halten und nach ihren Lagerfeuern Ausschau halten! Wo zur Hölle sollen wir landen? Und wenn wir es erst einmal geschafft haben runterzukommen, wie, glaubst du, sollen wir uns wieder in die Lüfte erheben? Ich meine, ich weiß, dass du kein Grünschnabel bist. Du hast das alles schon oft genug gemacht! Aber aus mir spricht die Stimme der Erfahrung. Seit siebzig Jahren tue ich das jetzt, und ich sage dir, wir sollten ...
Schhh!, brachte Nestor ihn zum Schweigen. Ich muss überlegen. Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, geht es hier entlang. Ja, hier lang!
Und was genau heißt »hier
Weitere Kostenlose Bücher