Totenbeschwörung
herauszuziehen. Aber er war eben erst aus dem Schlaf gerissen worden und vor Schreck und Entsetzen wie gelähmt. Er schaffte es nicht.
Unterdessen langte Nestor erneut hinab zwischen die Felle. Doch sein Angriff auf den Mann hatte der Frau wertvolle Sekunden verschafft, und sie rannte davon, als seien tausend Furien hinter ihr her.
»Ihr nach, Junge!«, brüllte Canker, der sein wie am Spieß schreiendes Opfer vornüber über einen umgestürzten Baumstamm geworfen hatte und bereits rittlings auf ihr saß und sie mit kräftigen Stößen bearbeitete. »Ah!«, keuchte er. »Die Jagd ... hat ja ... aaah! ... an sich ... schon ihren Reiz, aber hinterher ... ist es ... aaah! ... noch hundert Mal schöner! ... Vergiss bloß nicht ... das Mädchen musst du ... ah, ahh, ahhh! ... mir überlassen. Ich bin hier nämlich ... gleich fertig!«
Das Mädchen schlief etwas abseits der Gruppe, auf die Canker es abgesehen hatte. Nun floh sie ebenfalls. Ihre langen, schlanken Beine blitzten weiß im spärlichen Schein der Sterne, während sie barfuß auf den Wald zurannte. Nestor merkte sich die Richtung, die sie einschlug, und übermittelte diesen Gedanken dem Hunde-Lord. Dann setzte er der Frau nach, die er bald einholte.
Ihr Atem ging stoßweise. Als Dornengestrüpp ihr den Weg versperrte, entrang sich ihrer Kehle ein Heulen, als sei sie ein in die Enge getriebenes Tier. Sie wandte sich auf dem Absatz um, sah Nestor kommen und ... stürzte sich, ohne zu zögern, auf ihn. Im ersten Augenblick war er so überrascht, ja verblüfft, dass er einfach nur dastand und sich nicht zu rühren vermochte – bis das Messer in ihrer Hand im Licht der Sterne aufblitzte! Sie holte aus und stieß zu! Nestor wich zur Seite und spürte, wie ihm die scharfe Klinge in den Arm drang. Das kalte Metall, auf einmal voller Blut, durchtrennte Haut, Muskeln und Sehnen.
Nestor knurrte. Außer sich vor Wut unterdrückte er den Schmerz, wie es nur einem Lord der Wamphyri gelingt, und schlug nach dem Arm, der das Messer hielt. Er spürte ihn brechen wie einen dürren Zweig. Als die Frau vor Schmerz aufschrie, versetzte er ihr, genau wie der Hunde-Lord ihm geraten hatte, einen Hieb gegen die Schläfe. Betäubt sank sie zu Boden.
»A-ha!«, erscholl ein Stück entfernt Cankers Triumphgeheul, gefolgt vom klagenden Jammern des Mädchens. Der Hunde-Lord hatte seiner Beute ebenfalls nachgesetzt und sie nun gestellt. Nestor war klar, was ihr jetzt blühte. Doch das war nun mal der Lauf der Dinge. Die Wamphyri, und vor allem Canker, hatten schließlich ihre Bedürfnisse ... Und war nicht das Blut das Leben und gerade junges Blut besonders süß?
Nestor ertappte sich bei dem Gedanken, wann Canker wohl von ihr trinken würde. Bevor oder nachdem er sie ... Oder vielleicht während er gerade dabei war? Doch wie dem auch sein mochte, das Mädchen war bereits Vergangenheit! Falls der Hunde-Lord ihr genügend Lebenskraft ließ, dass sie es noch vor dem Morgengrauen über den Pass schaffte, würde sie nur eine weitere Vampirin für die Räudenstatt abgeben ...
Das Gewicht des Säuglings spürte Nestor kaum. Das Kind lag fest verschnürt hinter Glinas zusammengesunkener Gestalt über dem Sattel und weinte nur kurz, als sie sich, vom Wind umtost, in den Nachthimmel schwangen. Das war aber auch schon alles. Dennoch vernahm Glina das Weinen in ihrem vampirisierenden Schlaf. Sie regte sich und begann leise vor sich hinzustöhnen.
Nestor nahm an, dass sie bald aufwachen würde, wiederum viel zu früh, und entschloss sich dazu, seine Theorie zu überprüfen. Falls Glina das Kind annahm und es ihm gelang, auch nur ein Fünkchen ihrer früheren Liebe zu ihm neu zu entfachen, würde er sie mit in die Saugspitze nehmen, damit sie ihm als seine Sklavin das Bett wärmte. Falls nicht ... nun, dann nahm er sie vielleicht trotzdem mit. Immerhin gab es in diesem Fall noch die Vorratskammern.
»Was nun?«, rief Canker zu ihm herüber und riss ihn damit aus seinen Gedanken. »Was hältst du davon, wenn wir in den Hügeln runtergehen und uns ein bisschen ausruhen und nach noch ein paar Szganyfeuern Ausschau halten?«
»Nicht allzu viel«, erwiderte Nestor. »Ich mache Schluss für heute! Du kannst ja weitermachen, wenn du willst, dann treffen wir uns nachher in der Wrathhöhe. Ich für mein Teil habe genug für eine Nacht! Meine Bestie ist erschöpft. Ich raste jetzt gleich in den Hügeln und danach fliege ich nach Hause.«
Canker blickte ihn wissend an und grinste lüstern. »Ich kann in
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