Totenbeschwörung
darunter litt.
Sie hatte jedes Interesse an der Führung der Wrathspitze verloren, sodass ihre Leutnants zum ersten Mal seit Menschengedenken vollkommen freie Hand hatten. Niemand durfte sie mit Haushaltsfragen oder sonstigen strittigen Angelegenheiten belästigen, sie duldete noch nicht einmal das Husten einer Fliege in ihrer Nähe. Wratha vernachlässigte alle selbst auferlegten Pflichten – in der Hauptsache handelte es sich dabei um die Aufsicht über die Feste – und die regelmäßigen Zusammenkünfte und Besprechungen, die bisher ein wesentlicher Bestandteil des Lebens in der Wrathspitze gewesen waren, wurden immer seltener, bis sie schließlich ganz aufhörten.
Ihre Männer – und zwar so gut wie alle, vom jüngsten Neuankömmling bis hin zum dienstältesten Leutnant – begannen dies auszunutzen, und die Vampirfrauen nicht minder. Obwohl Wratha sich darüber im Klaren war, dass auch ihre Knechte Abwechslung brauchten, hatte sie doch stets darauf geachtet, dass sich keine Affären entwickelten. Nun nahmen sie überhand. Darunter litt die Arbeit, nichts lief mehr wie geplant. Doch Wratha bemerkte es kaum.
Ihre Lustsklaven vermochten sie nicht mehr zufriedenzustellen. Als zu allem Überfluss auch noch ihr derzeitiger Günstling versagte, tötete sie ihn auf der Stelle. Die übrigen magerten mehr und mehr ab.
Mit der Feste ging es bergab. Die grotesken Leitungswarte in ihren diskret mit Vorhängen abgetrennten Nischen lagen sich wund und in den Wunden nisteten sich Parasiten ein. Das Wasser, das sie aus den Brunnen von Gorvisumpf heraufpumpten, verschmutzte immer mehr, weil der Knecht, der für sie sorgen sollte, Besseres zu tun hatte. Statt sich um die schlaffen, reglosen Kreaturen zu kümmern, kümmerte er sich lieber um eine der Sklavinnen.
Niemand sah mehr nach den Kriegern, die in ihren Bottichen vor sich hin wuchsen. Einer von ihnen rutschte aus, kam nicht mehr hoch und verendete. Mit der Zeit begann er zu stinken, weil niemand es für nötig hielt, den riesigen Kadaver zu beseitigen. In den Küchen mussten die Köche mit dem Wenigen auskommen, das es noch gab, und der Speiseplan der Stätte wurde immer karger. Die Vorratskammern und Kühlhäuser waren leer, desgleichen die Kornspeicher. Die Flieger winselten vor Hunger, und bei den Überfällen auf die Sonnseite konnte man sich nicht mehr auf sie verlassen, weil sie zu schnell erschöpft waren.
Und Wratha hing ihren Gedanken nach! Sie schien von all dem nichts mitzubekommen ...
Doch während der langen Tage, wenn im Felsenturm alles schlief, lag sie oft wach und sandte ihre Gedanken hinab in die Saugspitze, damit sie ihren Weg in Nestors Träume fanden. Früher war dies nur ein Zeitvertreib für sie gewesen. Wratha hatte einen gewissen Reiz darin gefunden, die Gedanken des Schlafenden zu lesen. Manchmal allerdings, wenn er mit einer Frau zusammen war, war er dabei auch ziemlich wach gewesen und seine Gedanken voller Begierde; Letzteres jedoch eher selten, weil seine Frauen ihn meist langweilten, was wiederum Wratha gefiel. Doch in letzter Zeit ... war es kein Zeitvertreib mehr! Es war geradezu zur Besessenheit geworden. Der Gedanke an Glina ließ Wratha nicht zur Ruhe kommen. Denn Nestor teilte das Bett mit ihr und nicht mit Wratha!
Diese Glina war eine dumme Ziege, mehr nicht, aber anscheinend gab es etwas, was sie meisterlich beherrschte. Sie wusste genau, wie man dem Nekromanten Lord Nestor Leichenscheu von den Wamphyri Vergnügen bereitete, und zwar so gut, dass der neue Herr der Saugspitze sogar von ihr verlangte, dass sie es auch seinen anderen Frauen beibrachte, damit diese ihn ebenfalls zufriedenzustellen vermochten. Allerdings gab es da nicht allzu viel beizubringen; denn sie hatten schon vor langer Zeit etwas verloren, was Glina sich noch bewahrte, nämlich ebenjene Arglosigkeit und Schlichtheit, für die Wratha sie so sehr verachtete!
Nestor hatte einen Narren an Glina gefressen, gerade weil sie so einfältig war. Oder es zumindest vorgab! Mit ihr Liebe zu machen, war für Nestor jedes Mal neu, weil sie sich ihm immer wieder bebend, beinahe ängstlich und doch voller Verlangen hingab. Sie war eine Frau und gab sich doch wie ein Mädchen, spielte die Unschuld vom Lande, damit ihr Gebieter keine andere mehr ansah. Wenn er mit ihr schlief, war er wieder der junge Mann, für den es das erste Mal war. Er brauchte nur ihre Brust zu berühren und schon ...
Es war, als fühle er sich in eine Zeit zurückversetzt, in der Liebe für ihn etwas
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