Totenbeschwörung
den Szgany, überdies zum Clan der Lidesci. Deren Blut gerät leicht in Wallung, wie du wohl weißt, und mein Parasit hat dies alles nur noch verstärkt. Und du willst wissen, ob ich zu ihr gehe ...? Mein Freund, sag mir eines: Was würdest du an meiner Stelle tun?«
Die Nüstern argwöhnisch gebläht, sog Canker witternd die Luft ein. Seine bepelzten Wolfsohren mit den zu einer Mondsichel geformten Ohrläppchen zuckten aufgeregt hin und her, als lausche er fernen Geräuschen oder Gedanken. Schließlich ging er auf alle viere nieder, warf den Kopf in den Nacken und brach in ein nervenzerreißendes Geheul aus, das durch die gesamte Räudenstatt hallte.
Als es endlich verebbte, rann dem schwer atmenden Hunde-Lord ein dünner Speichelfaden aus dem ledrigen Mundwinkel. Zu Nestor aufblickend, jaulte er los: »Lord Leichenscheu, mein Junge! Glaubst du vielleicht, ich könnte ihr widerstehen!?«
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Als Nestor in die Saugspitze zurückkehrte, wartete Zahar mit einer Überraschung auf ihn. Wratha hatte Nestor drei in der vergangenen Nacht erbeutete Szgany-Knechte als Geschenk gesandt – einen halbwüchsigen Jungen, einen ausgewachsenen Mann und einen Graukopf. Seinem Stolz zum Trotz hatte Nestor nicht die Absicht, nun, da seine Ausbeute auf der Sonnseite immer spärlicher ausfiel, die Gabe zurückzuweisen. Er registrierte allerdings sehr wohl, dass es sich ausschließlich um Männer handelte, die Wratha mit Sicherheit lieber selbst behalten hätte. Andererseits, unter den gegebenen Umständen sah er durchaus ein, weshalb sie ihm keine frischen Sklavinnen schickte ...
Dass sie ihm überhaupt ein Zeichen ihrer Wertschätzung zukommen ließ, dazu noch eines aus wertvollem Fleisch und Blut, war ein unerhörtes, noch nie da gewesenes Ereignis, und Zahar wusste sich darauf keinen Reim zu machen. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen und fragte: »Steht die Lady womöglich in deiner Schuld, mein Lord?« Und in der Tat, bedachte man, dass sie ihn heimlich beobachtet und sich sogar in seine Träume geschlichen hatte, konnte man vielleicht wirklich davon ausgehen, dass sie ihm etwas schuldig war. Doch ganz gleich, wie dem sein mochte, Nestor blickte Zahar tief in die Augen und erwiderte:
»Wer weiß? Eines Tages könnte es gut so weit kommen ...« Doch dann fügte er hinzu: »Sagen wir, sie und ich, wir haben einen Handel miteinander geschlossen!« In Wirklichkeit jedoch war es, wenn er die Situation richtig einschätzte, gut möglich, dass er eines Tages in ihrer Schuld stand. Canker hatte ihm gegenüber erwähnt, dass sie ihm noch einiges beibringen konnte; und abermals musste Nestor seinen Stolz überwinden. Wenn er sich ihr auch nur halbwegs gewachsen zeigte ... dann würden sie beide im Bett wahre Wunder erleben. Immerhin hatten die Vampirsklavinnen in der Saugspitze ihm zu einem größeren Erfahrungsreichtum verholfen, als die meisten Männer sich je träumen ließen.
Allerdings hallte ihm die Warnung des Hunde-Lords noch immer in den Ohren. Sollte Canker recht behalten, könnte sich Wrathas »Geschenk« durchaus als lebensgefährlich erweisen. Vielleicht wollte sie ihn ja nur in Sicherheit wiegen, damit er in seiner Achtsamkeit nachließ. Nun, er würde sehen ... Schließlich brauchte er nur abzuwarten und zuzusehen, wie die Dinge sich entwickelten.
Vorerst jedoch begnügte er sich damit, der ansteckenden Wirkung seines Bisses zuzusehen. Er trank von seinen neuen Knechten und machte sie auf diese Weise zu seinen Sklaven. Die beiden jüngeren gliederte er in seinen Haushalt ein; sie gehörten nun ihm. Den Jungen schickte er zu Grig. Er sollte ihm aufwarten und sich um den verwundeten Leutnant kümmern; und wenn dieser wieder zur Gänze genesen war, würde er die Ausbildung des Jungen übernehmen. Für den älteren der beiden gab es alle Hände voll zu tun: Gänge mussten gegraben, die Ställe gesäubert und die Unterkünfte ausgebaut werden. Er wurde mit den anderen zur Arbeit in der Saugspitze eingeteilt.
An den Alten verschwendete Nestor keinen Gedanken. Er war gerade noch gut genug für die Vorratskammern. Für die gemeinen Knechte kam nur selten Fleisch auf den Tisch, und es wurde auch immer schwieriger, an Knochen zu gelangen, deren Mehl Flugbestien und Kriegern als Nahrung diente. Früher oder später musste man einen Weg finden, dies zu ändern. Es musste doch eine einfachere Möglichkeit als die nächtlichen Überfälle geben, die Früchte der Sonnseite zu ernten. Vielleicht sollte
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