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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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endloser Tag und der größte Teil der Nacht bevor, und Nestor wäre gut beraten gewesen, seinem Körper wie seinem Geist Ruhe zu gönnen. Aber der Schlaf wollte sich nicht einfinden.
    Zum Teil lag es an den Schmerzen, welche die rasche Heilung seines wandelbaren Fleisches hervorrief. Zum Teil aber auch, und das war schlimmer, an der Angst vor den Träumen, die sich mit Sicherheit einstellen würden, wie er wusste – Träume von verfaulendem Fleisch und einem sich auflösenden menschlichen Wrack, das, von allen gemieden und vergessen, womöglich verlassen und eingemauert, in einer kalten, einsamen Nische oder Felsspalte der Sternseite nach und nach zu Staub zerfiel. Das Wrack hieß Nestor.
    Ruhelos wälzte er sich auf seinem Bett aus Kies hin und her, und während der Tag verging, war die Luft immer drückender und lähmender geworden, bis kein Hauch sich mehr regte. Jenseits des niedrigen Höhleneingangs hatten Libellen über dem langsam dahinplätschernden Wasser getanzt, auf dessen sich kräuselnden Wellen die Sonnenstrahlen wie goldene und silberne Flammen funkelten. Alles hatte so friedlich ausgesehen da draußen, so harmlos, und tatsächlich war es das in einer mythischen Vorzeit, die sich hinter den Schleiern der Vergangenheit verbarg, auch gewesen, dessen war er sich sicher. Doch nun ...
    ... hörte er den Sonnenschein beinahe wie eine Sickergrube brodeln! Er brauchte nur einen Schritt vor den Eingang der Höhle in das sanfte, gelbe Licht zu tun, und die Strahlen würden ihn bei lebendigem Leib verzehren wie die Säuren, mit denen die Szgany östlich des Großen Passes ihre Metalle bearbeiteten. Allein ihr Geschick in der Herstellung von Kampfhandschuhen bewahrte sie vor den Überfällen der Wamphyri! Das Licht der Sonne würde Nestor töten und nichts als stinkenden Rauch, Teer und klebrige, schwarze Knochen von ihm übrig lassen. Denn Nestor war ein Vampir und die Sonne seine Todfeindin.
    Dabei hatte es auch andere Zeiten gegeben. Allerdings ... konnte er sich nicht daran erinnern!
    Während seiner ersten Tage im letzten, sich hoch über die öde Findlingsebene der Sternseite erhebenden Felsenturm hatte Nestor häufig keinen Schlaf gefunden. Damals war ihm die Stätte fremd gewesen, voller furchteinflößender Geräusche, erfüllt von einem unheimlichen Seufzen, von Gelächter und Schreien, ziemlich vielen Schreien sogar. Schließlich hatte er einen Weg gefunden, seine überreizten Sinne und sein heftig pochendes Herz in Schlaf zu lullen. Im Grunde war es ganz einfach: Er versuchte sich an Einzelheiten von früher zu erinnern, bevor er Wamphyri geworden war. Die Mühe war vergebens und ebenso sinnlos, wie Schäfchen zu zählen, denn er erinnerte sich an kaum etwas aus seinem Leben vor der Zeit, die er in der einsamen Hütte Brad Bereas, tief in den Wäldern der Sonnseite, verbracht hatte.
    Im Augenblick fühlte Nestor sich in seiner Höhle an dem gurgelnden Flüsschen sicher vor den Aussätzigen und vor der Sonne. Und nun probierte er es auf eine andere Art. Er unternahm den Versuch, sich an all das zu erinnern, was seit jener Nacht geschehen war, in der er den Schutz von Brad Bereas Hütte verlassen hatte, um dem kalten, funkelnden Nordstern zu folgen und die Wamphyri auf der Sternseite ausfindig zu machen. Und diesmal klappte es! Fast noch bevor Nestor damit beginnen konnte, über die wenigen undeutlichen Erinnerungsfetzen aus seiner Zeit vor den Wamphyri nachzudenken, hatte ihn der Schlaf übermannt.
    Allerdings funktionierte der Trick besser als angenommen, sodass sich seine Gedanken selbst im Schlaf noch um seine Vergangenheit drehten. Während sein Körper ruhte und sein wandelbares Fleisch ihn langsam heilte, durchlebte Nestor die ganze makabre Geschichte noch einmal in allen Einzelheiten. Doch nur wenige hätten es einen Traum genannt ...
    Zunächst stellten sich nur Bruchstücke ein:
    Nestor, wie er beinahe ertrunken wäre ... der stämmige Brad Berea, wie er beim Fischen am Flussufer ein Stück östlich von Zwiefurt Nestor das Leben rettete, als dieser mit dem Gesicht nach unten im Wasser vorübertrieb. Danach in Brads Hütte ... seine Tochter Glina, die Nestor nur um seines Körpers willen begehrt hatte. Nun, ein bisschen mehr hatte sie schon gewollt – einen Mann, den sie ihr Eigen nennen konnte, um ihre einsamen Tage und Nächte auszufüllen. Ein Mann war Nestor auch damals zweifellos schon gewesen, und er hätte jeder Frau genügt. Da traf es sich ganz gut, dass es Glina nicht auch noch nach

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