Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
befand sich nicht mehr in seinem Grab in Leipzig. Dort lagen jetzt nur noch seine Knochen. Der brillante Mathematiker, das heißt sein Bewusstsein, war weitergezogen, niemand hatte eine Ahnung, wohin; denn es gab andere Welten jenseits unserer Vorstellungskraft zu entdecken.
    Die Lage war allerdings nicht gänzlich aussichtslos. Auch wenn Möbius verschwunden und unauffindbar war, gab es immer noch andere Mathematiker, die in ihrem Leben mindestens genauso rätselhafte und nicht minder metaphysische Arbeiten abgefasst hatten und deren körperlose Bewusstseine nur darauf warteten, endlich kontaktiert zu werden. Gormley nannte Nathan eine lange Reihe von Namen, die dieser an Möbius’ statt aufsuchen konnte.
    Nur ... Nathans ursprüngliches Problem bestand weiterhin. Nach wie vor mieden die Toten jeden Lebenden, der in der Lage war, sich mit ihnen zu verständigen. Das hatte er seinem Vater zu verdanken. Dieser hatte den Toten vollkommen neue Möglichkeiten eröffnet, ihnen gezeigt, wie sie sich in ihren Gräbern gegenseitig besuchen konnten, um der allgegenwärtigen Einsamkeit zu entfliehen, und zum Schluss hatte er sie im Stich gelassen. Umgekehrt traf dies zwar ebenfalls zu, doch das konnte man den Toten nun wirklich nicht verdenken. Denn im Gegensatz zu den Lebenden waren sie zur Reglosigkeit verdammt. Näherte sich ein Nekromant, vermochten sie nicht zu fliehen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als stillzuhalten und die Qualen zu ertragen. Allein der Gedanke, jemand wie Dragosani – oder auch Harry Keogh – könne eines Tages zurückkehren, war ihnen unerträglich. Und vielleicht war ja schon jemand zurückgekehrt, und zwar in Gestalt jenes Mannes aus einer anderen Welt. Denn sie wussten sehr wohl, dass Nathan da war, und noch fürchteten sie ihn.
    Mit einem Mal wurden Nathans Atemzüge ganz ruhig. Sein Entschluss stand jetzt felsenfest.
    Reglos lag er da, voller Groll und doch kalt, womöglich genauso kalt wie sein Vater, der Necroscope ...

ACHTUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Was Nathan anfangs sowohl körperlich als auch seelisch wohl am meisten in Anspruch nahm, war die Tatsache, dass die Tage nur vierundzwanzig Stunden dauerten. Wo er herkam, entsprachen ungefähr fünfzig Sonnaufs und Sonnunter einem ganzen Jahr irdischer Zeitrechnung und ein Sonnseiten-Tag währte vier bis fünf Tag-Nacht-Zyklen dieser Welt. Dennoch hatten die Szgany ihren Traveller-Rhythmus beibehalten, wie er sich auf der Vampirwelt bis zur Ankunft der sogenannten Weißen Sonne über Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende entwickelt hatte. Während einer Sonnseiten-Nacht schlief der durchschnittliche Traveller bis zu dreimal jeweils fünf bis sechs Stunden.
    Hier dagegen ging man zu Bett, wenn es dunkel war, und schlief durch bis zum nächsten Morgen. Dazwischen stand man höchstens auf, um einem Ruf der Natur zu folgen oder wenn man arbeiten musste. Die Tage waren so unglaublich kurz, dass es schier unmöglich schien, dass überhaupt jemand die Zeit fand, irgendetwas zu erreichen, und doch hatten die Menschen hier Erstaunliches geleistet. Wenn Nathan nur daran dachte, was sie auf wissenschaftlichem Gebiet vorzuweisen hatten, wurde ihm schwindlig.
    Tatsache war, dass er noch immer unter einer Art Jetlag litt. Seinem Körper fiel es nicht leicht, den Sprung zwischen den Dimensionen zu verkraften und sich an Zeitmaßstäbe und Unterschiede zu gewöhnen, denen kein Bewohner der Sonnseite je ausgesetzt gewesen war. Am schlimmsten jedoch war das Wetter! Auf der Sonnseite gab es so gut wie keine Jahreszeiten. Der klimatische Wechsel erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Jahren und war so geringfügig, dass man ihn kaum wahrnahm. Hier in den Höllenlanden dagegen – vor allem in London, zumal noch im Winter – waren allein schon die Witterungsverhältnisse das nackte Grauen! Nicht ganz so schlimm wie in Perchorsk und Umgebung, aber schlimm genug! Zumindest gab es in Perchorsk keine ständigen Temperaturschwankungen und die Gebirgsschluchten waren natürlichen Ursprungs, anders als die Straßenschluchten, die ihn hier umgaben.
    In seinem ganzen Leben hatte Nathan noch nie einen Schnupfen gehabt, geschweige denn eine verstopfte Nase – bis er zum ersten Mal die Ausdünstungen aus den U-Bahn-Schächten einatmete. Und Verdauungsprobleme kannte er erst, seit Ben Trask ihn in die indischen und chinesischen Restaurants mitschleifte.
    Alles in allem fühlte Nathan sich sehr unwohl. Nichts von dem, was ihm widerfuhr, entsprach den Vorstellungen

Weitere Kostenlose Bücher