Totenbeschwörung
habe er nach einem bestimmten Toten gesucht. Und wie sie dalagen ...
Es waren insgesamt acht. Sechs von ihnen befanden sich, wie zu erwarten, direkt vor den Schubladen, in denen man sie aufgebahrt hatte. Doch die Übrigen lagen an einer gänzlich anderen Stelle und der Zustand ihrer Särge war ... Eine der Leichen war die von John Scofield. Er hatte den Boden seines Schubfaches eingetreten und war herausgekrochen, um sich auf die Suche nach Tod Prentiss zu begeben, denn selbst im Tod gab er seine Jagd nicht auf! Dabei hatte er das gesamte Leichenschauhaus verwüstet. Und Prentiss hatte gewusst, was ihn erwartete! Sein Kühlfach war eindeutig von innen aufgebrochen und die Lade beinahe aus den Angeln gerissen worden, als er versuchte, seinem Verfolger zu entkommen.
Ihre Leichen wurden ein gutes Stück von den anderen entfernt in einer Ecke zwischen ein paar umgestürzten Aktenschränken gefunden. Dort hatte John sein Opfer schließlich in die Enge getrieben. Da lagen sie nun, im Tod erstarrt, der eine mit durchschnittener Kehle, der andere mit einer Kugel im Herzen, und Scofields Finger umklammerten Prentiss’ Hals, wie um ihn zu erwürgen.
Offenbar war der diensthabende Sergeant hereingeplatzt und hatte die beiden Leichen miteinander ... kämpfen sehen. Wie sollte man das Gerangel zweier Untoter sonst wohl bezeichnen? Ihm war klar gewesen, was er da sah, aber begreifen konnte er es nicht. Selbst uns vom E-Dezernat fällt es trotz all unseres Wissens und all unserer Erfahrung ja immer noch schwer genug.
Am schlimmsten war jedoch der Ausdruck auf ihren Gesichtern. John hatte die Zähne gefletscht, an seinem Hals zeichnete sich jede einzelne Sehne ab, und Prentiss hing die Zunge heraus und die Augen waren ihm aus den Höhlen getreten. Er hatte eine ›Todesangst‹ vor diesem Irren ausgestanden, der ihn ein zweites Mal zu töten versuchte. Seitdem hat John keine Ruhe mehr gefunden! Er kehrt immer wieder zurück, um Prentiss wieder und wieder zu töten, und das dürfte bis in alle Ewigkeit so weitergehen, es sei denn, wir finden eine Möglichkeit, ihm seinen Frieden zu geben ...
Den Ort, an dem sich dieses grauenhafte Geschehen abspielt, nennen wir die Albtraumzone!«
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Ben Trask blickte hinab in die gespannten Gesichter seiner ESPer, die ihm fasziniert an den Lippen hingen, und richtete sich auf, straffte die Schultern. Sein Blick hatte sich in eine weite Ferne verloren. Nun kehrte er zurück in die Gegenwart. Trask räusperte sich.
»Die Dinge, von denen ich spreche, haben sich vor knapp zwei Jahren ereignet, und zwar genau so, wie ich sie erzählt habe. Der ESP-Agent John Scofield übte seine Rache über das Grab hinaus. Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Denn wie bereits angedeutet, ließ er es nicht dabei bewenden, sondern versucht weiterhin, sich zu rächen. Und mit jedem Mal wird es schlimmer.
Sechsmal ist er mittlerweile wiedergekehrt, und jede Manifestation war schlimmer als die vorhergehende. Die Polizeiwache existiert nicht mehr – sie ist jetzt nur noch ein altes, heruntergekommenes Gemäuer. Ihren Zuständigkeitsbereich hat die Polizeidirektion von New Finsbury Park mit übernommen. Das Leichenschauhaus ist kein Leichenschauhaus mehr, sondern nichts als ein feuchter, leerer Keller. Das Krankenhaus wurde dichtgemacht. Es fiel, wenn man so will, der Gesundheitsreform zum Opfer und wurde von der Stadt aufs Land verlegt. Aber diese Orte wurden nicht einfach geschlossen: Sie mussten ihren Betrieb einstellen; denn in dem Maß, in dem John Scofield seine telekinetischen Fähigkeiten im Jenseits perfektioniert ...
... weitet sich auch die Albtraumzone aus! Darauf läuft am Ende alles hinaus, versteht ihr? Auf der anderen Seite verfügt John über die Totensprache oder was weiß ich welche Kräfte. Dazu kommen die Telekinese und ein Hauch purer, körperloser Bosheit – nennt es meinetwegen Rachsucht, wenn ihr wollt. Für uns jedenfalls bedeutet es den reinsten Albtraum, Poltergeistaktivitäten, Angst, Abscheu und einen verdammt großen Haufen Drecksarbeit! Wahrscheinlich hat John noch nicht einmal die geringste Ahnung davon, was er uns da antut. Oh, was er mit Prentiss anstellt, ist ihm sehr wohl bewusst, aber woher sollte er wissen, welche Auswirkungen dies auf die Welt der Lebenden hat?
Seht ihr, das entspricht einfach nicht Johns Art! Er würde uns niemals irgendwelche Schwierigkeiten bereiten, wenn er wüsste, was los ist. Es verhält sich nur so, dass er es
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