Totenbeschwörung
Schutzhunden für Kinder und Erwachsene heranwuchsen. Es war eine jener nahezu vergessenen Erinnerungen, die gelegentlich aufblitzten, ohne dass er sie zu kontrollieren vermochte.
Doch wer würde so etwas mit einem Geschöpf wie diesem riskieren? Mit ausgestreckter Hand auf ein solches Ungetüm zugehen, wenn es aus seinem Bottich stieg? Am besten prägte er es gleich jetzt neu, um es anstelle von Vasagi auf sich zu fixieren. Er konnte es zwar nicht wissen. Doch dieser Gedanke stammte nicht von ihm. Oder falls doch, hatte die Verwandlung, die sich in ihm vollzog, ihn dazu bewogen.
Abermals blickte er zu Zahar. »An diesem Ort sollte man sich in Acht nehmen«, sagte er scheinbar arglos. »Es ist ziemlich riskant, um nicht zu sagen: gefährlich. Ein falscher Schritt und man landet in einem Bottich wie dem hier!«
»In der Tat, mein Lord«, pflichtete Zahar ihm bei. Um seine Lippen spielte die Andeutung eines Lächelns.
»Aber«, sagte Nestor, und sein Ton wurde schroffer, »ich bin nicht irgendwer. Ich bin Wamphyri!« Damit begann er sich langsam, bedächtig zu entkleiden, legte sogar den Gürtel mit dem Messer ab und stieg nackt hinab in den lauwarmen, träge vor sich hinblubbernden Strudel. Er ließ Zahar nicht aus den mittlerweile blutrot glühenden Augen, bewegte sich an dem massigen Körper des im Entstehen begriffenen Kriegers entlang und legte ihm die Hände auf.
Du gehörst mir!, verkündete er dem Wesen. Alles, was einst Vasagi gehört hat, ist mein! Was ihn ausgemacht hat, ist jetzt in mir ... Ich habe ihn aufgegessen! Und auch du bist nun für alle Zeiten mein!
Die Oberfläche der Flüssigkeit kräuselte sich und schlug kleine Wellen, als das Wesen seinen gewaltigen Körper streckte. Greifzangen, an deren Scheren das Chitin noch nicht fest geworden war, schlossen sich um Nestor, und diverse Gliedmaßen hoben sich aus der zähen Brühe, um ihn zu packen – allerdings sanft! Es ... untersuchte Nestor. Und nahm ihn an! Der Krieger verfiel wieder in Reglosigkeit, und sein oben sitzendes Auge verharrte auf Nestor, als sei dieser seine Mutter. Vielleicht lag in dem Blick auch so etwas wie Angst.
Brav! Du bist eine gute Kreatur!, lobte Nestor. Ich werde für dich sorgen und dir genug zu fressen geben. Wenn du so weit bist, dass du geboren werden kannst, rufe nach mir und ich werde mich persönlich um dich kümmern.
Er überließ das Wesen seinem Werden und Wachsen und watete zurück zu den Stufen, erklomm sie und stieg wieder hinaus auf den festen Boden. Er stand nur da, und während die Brühe an ihm herabtropfte und kleine Pfützen bildete, ruhte sein Auge auf Zahar. Nestors Blick war genauso kalt wie der des Kriegers, doch um einiges wissender.
»Zieh deine lederne Jacke aus«, sagte er.
»Was?« Zahar trat einen Schritt zurück, sein Adamsapfel hüpfte. Sein Blick wanderte von Nestor zu dem Wesen im Bottich und wieder zurück. »Meine Jacke?«
»Hörst du schwer?«, fuhr Nestor ihn an. »Deine Jacke – sofort!«
»Jawohl, mein Lord!« Zahar zog sie aus und ließ sie fallen.
»Und jetzt das Hemd!«
»Mein Lord«, stammelte Zahar, »Ihr mögt Wamphyri sein – nein, Ihr seid ganz gewiss ein Wamphyri. Doch ich bin nur ein gewöhnlicher Knecht. Ein Leutnant, zugegeben, und natürlich auch ein Vampir, aber trotz allem nur ein Mensch. Diese speziellen Flüssigkeiten sind für jemanden wie mich das reinste Gift. Wenn ich dasselbe tun soll wie Ihr und dort eintauche, werde ich nicht mehr herauskommen, so viel ist sicher! Und selbst wenn ich es schaffen sollte aufzutauchen, würde der Krieger sich mit seinen Stacheln auf mich wälzen!«
Nestor streckte die Hand nach dem Hemd aus. »Und doch hast du mir noch vor wenigen Augenblicken ebendies gewünscht. Du hast sogar mit dem Gedanken gespielt, mich hineinzustoßen! Glaubst du etwa, das hätte ich nicht gemerkt? Zum letzten Mal jetzt: dein Hemd!«
Zahar schaffte es nicht allein. Nestor half ihm und zerrte ihm das Hemd vom Leib. Einen Augenblick lang standen sie da, der klein gewachsene Meister ruhig und gelassen, zitternd dagegen sein riesenhafter Knecht. Schließlich benutzte Nestor das Hemd, um sich abzutrocknen.
»Das Zeug ist ekelhaft«, sagte er. »Von keinem Menschen würde ich verlangen, dass er darin badet, und schon gar nicht von einem tapferen und treuen Leutnant wie dir. An mir will ich es allerdings auch nicht haben.«
Er lächelte, wenn auch spöttisch. »Du ziehst besser wieder die Jacke an, Zahar, sonst wirst du dich noch
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