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Totenbeschwörung

Totenbeschwörung

Titel: Totenbeschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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die mittlere Etage und gingen dann in nordwestlicher Richtung durch ein Labyrinth aus Gängen und Sälen bis zu einer Stelle, an der das Gestein vulkanischen Ursprungs war. Die in grauer Vorzeit erstarrte Lava war porös wie die Knochen eines Vogels, und in einer gewaltigen Halle, deren Decke tief herabhing, hatten vor Urzeiten entwichene Gase in dem körnigen, zerfurchten Boden Gruben, so groß wie Höhlen, hinterlassen. Bis auf diese tiefer liegenden »Bottiche« war der Boden eingeebnet, die Bottiche mit Lehm ausgekleidet und mit Pech aus den Teergruben der Sonnseite abgedichtet worden. Hier hatte Vasagi und ohne Zweifel auch so mancher Lord der Alten Wamphyri seine Kriegerkreaturen und Leibwächter gezüchtet. Wie Zahar gesagt hatte, waren einige der Geschöpfe des Saugers in ebendiesem Moment dabei, Gestalt anzunehmen.
    Nestor stand am Rand eines der Bottiche. Aus einem klebrig-zähen Strudel starrte ein riesiges, farbloses Auge zu ihm herauf. Die metamorphe Flüssigkeit war nahezu undurchsichtig und ließ kaum etwas erkennen. Das Wesen, das in ihr schwamm, war wenig mehr als ein verschwommener Umriss. Es sah aus wie eine Reihe gezackter Felsbrocken. Nur das Zittern der grau-grünen Oberfläche verriet, dass sich darunter etwas Lebendiges regte. Und natürlich das blicklose Starren des Auges, das sich hin- und herbewegte.
    »Ein Krieger«, erklärte Zahar tonlos, leise, beinahe als wage er es hier, unmittelbar hinter Nestor am Rand des Tanks, nicht zu atmen. »Es handelt sich um eine Nachzüchtung. Vasagi hat auf der Sonnseite einige Kampfkreaturen in Fallen der Traveller eingebüßt. Ein paar der Stämme haben tapfere Anführer und sind gut organisiert. Die Szgany Lidesci sind in der Tat gerissen. Eines Tages wird sie das teuer zu stehen kommen.«
    Nestors Vampir war hellwach und auf der Hut. Wie verrückt wand er sich durch Nestors Körper und Geist und verstärkte Nestors bislang nur dumpfe, ziemlich in Mitleidenschaft gezogenen geistige Fähigkeiten. Er schärfte Nestors fünf Sinne, so gut er dies vorerst vermochte, und gab untrügliche Warnungen von sich. Nestor brauchte nicht über die Schulter zu blicken, um zu wissen, dass Zahar wenige Zentimeter hinter ihm stand und dass sich der gesunde Arm des Offiziers direkt hinter seinem, Nestors, Rückgrat befand. Nestor konnte die nur schwer unterdrückte Anspannung in Zahars Hand geradezu spüren, und mit Gewissheit bekam er mit, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen. Der Leutnant wollte ihn töten. Ein Stoß, ein kleiner Schubs nur, mehr war nicht nötig.
    Nestor trat einen Schritt zur Seite, so schnell, dass Zahar beinahe ins Wanken geriet. Nestor würdigte ihn keines Blickes, als er fragte: »Was für eine Flüssigkeit ist das eigentlich?«
    An der Stirnseite des Tanks führte eine Rampe hinab. Daneben verliefen schmale, steinerne Stufen, die in der schmutzig-trüben Brühe verschwanden. Nestor ging darauf zu. Hinter sich hörte er Zahar tief Luft holen. Doch noch immer regte sich der Vampir in Nestor, und seine Instinkte verschmolzen mit Nestors Bewusstsein, sodass dieser, noch ehe Zahar es aussprach, wusste, um was für eine Flüssigkeit es sich handelte – die metamorphen Säfte des Lebens! Dieser Bottich war ein Brutkasten, in dem vampirische Wesen im embryonalen Stadium herangezüchtet wurden. Vasagi der Sauger war ihnen sowohl Vater als auch Mutter gewesen. Die Flüssigkeit war das Eiweiß, welches das gelbe Küken nährt, eine Plasmasuppe aus Lymphe und Protoplasma, die hauptsächlich aus harmlosem Blut bestand, jedoch durchsetzt war oder vielmehr »befruchtet« von Vasagis Urin, seinem Blut, Speichel und Sperma.
    »Das ist der Lebenssaft von vierzig Travellern. Vasagi hat sie ausgepresst!«, sagte Zahar mit belegter Stimme. Ein seltsamer Unterton schwang darin mit. Vorfreude etwa? »Die Kreatur wird davon ernährt, es schmiert ihre Gelenke und sorgt letztlich dafür, dass sie gefügig bleibt. Wenn sie erst aus ihrem Bottich kommt, würde sie ihn sofort erkennen. Noch einen Sonnauf und ein Sonnunter, und sie wird herauskommen ...« Er verstummte.
    Nestor blickte ihn an. »Aber die Frage ist, ob sie mich erkennen wird?«
    Zahar zuckte die Achseln und unterdrückte ein Grinsen. Er hegte düstere Gedanken, das wusste Nestor. Außerdem kannte Nestor sich ein bisschen mit der Natur aus. Er wusste, wie die Traveller junge Wölfe prägten und auf sich fixierten. Sie halfen bei der Geburt und traten dann an die Stelle der Eltern, sodass die Welpen zu

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