Totenbeschwörung
Aluminiumgeländer und durch das Metallgitter, auf dem sie gingen, zeigte, dass der Boden unter ihnen ein einziges Durcheinander abnormer Auf- und Verwerfungen war, in denen die unterschiedlichsten Materialien so miteinander verbunden waren, dass man nicht mehr erkennen konnte, worum es sich eigentlich handelte. Mitten hindurch durch diese erstarrte, zusammengeschmolzene Masse im Grunde ganz gewöhnlicher, doch auf grässliche Weise fremdartig wirkender Substanzen verliefen jene merkwürdigen Wurmlöcher oder vielmehr Energiekanäle, mittels derer sich das albtraumhafte nukleare Krebsgeschwür durch das Zentrum von Perchorsk gefressen und es in Trümmer gelegt hatte.
Trask ertappte sich dabei, dass er einfach hinsehen musste. Das Ganze übte eine makabre Faszination auf ihn aus, und sein Blick wurde immer wieder davon angezogen. Doch sobald er hinsah, schwindelte ihm, und er war sicher, dass es Goodly nicht anders ging. Plötzlich zeichnete sich zur Linken des Laufstegs in der aus dem Lot geratenen Felswand drohend eine kreisrunde Öffnung ab. Das brachte ihn zurück in die Wirklichkeit. Der Weg beschrieb hier eine Biegung nach links und verschwand in einem Schacht, wo er sich verbreiterte und schließlich zu einer mit einem Gummibelag isolierten Treppe wurde, die tiefer hinab in eine in unheimlichem Glanz leuchtende Region führte.
»Der Kern«, erklärte Tzonov seinen Gästen tonlos, während ihnen aus dem Schacht polternd eine Gruppe bewaffneter Uniformierter entgegenkam, die in die entgegengesetzte Richtung strebte. »Das Loch, das heißt, die Höhlung, die in den massiven Fels geschmolzen wurde, als der Atommeiler explodierte und das Tor entstand. Es handelt sich um eine äußerst unnatürliche Höhle, wie Sie gleich feststellen werden. Soeben ist die Wache abgelöst worden und diese Soldaten haben jetzt Dienstschluss. Sehen Sie nur, wie eilig sie es haben! Der Kern ist kein sehr angenehmer Aufenthaltsort. Auch wenn das Tor jetzt absolut sicher ist und nach unserem Ermessen keinerlei Gefahr mehr davon ausgeht, bewachen wir es trotzdem. Man kann schließlich nie wissen ...«
Am unteren Ende des Schachtes befand sich ein von einem Handlauf umgebenes Podest, diesmal aus Stahl, das auf stählernen Trägern ruhte. Flankiert von Trask und Goodly, trat Tzonov an das Geländer und beugte sich vor. Grimmig blickte er auf die Szene, die sich ihm unten bot. Er hatte diesen Ort als so etwas wie eine, wenn auch recht unnatürliche, Höhlung bezeichnet. Nun sahen die britischen ESPer, warum.
Es war, als befänden sie sich in einer Höhle. Aber diese konnte man keinesfalls gewöhnlich nennen. In dem massiven Fels hatte sich eine vollkommen kugelförmige Höhlung gebildet, eine riesige Luftblase direkt im Fundament des Uralgebirges – allerdings eine Luftblase mit einem Durchmesser von nahezu vierzig Metern! Die geschwungene, glänzend schwarze Wand ringsum war spiegelglatt – bis auf die Wurmlöcher, die sie allenthalben durchzogen, selbst die gewölbte Decke. Von der Stelle, an der die drei Männer stehen geblieben waren, verlief der Schacht in einem Winkel von fünfundvierzig Grad abwärts, mitten hinein ins Zentrum der Anlage, den inneren Kern, den etwas einnahm, das wie eine riesige, stählerne Kugel aussah, die auf einem dreibeinigen Gerüst aus gewaltigen hydraulischen Stützen ruhte. Die Kugel musste einen Durchmesser von über neun Metern haben.
»Darin befindet sich das Tor«, erläuterte Tzonov. »Wir haben es in drei Teilstücke aus dreißig Zentimeter dickem, kohlenstoffhaltigem Stahl eingeschweißt. Die einzelnen Segmente ruhen auf den Stützen, die ihrerseits wiederum genügend Druck ausüben können, um sie zusammenzuhalten, sollte das jemals notwendig werden. Aber innerhalb dieser Hülle ... schwebt das Tor frei in der Luft, genau da, wo es entstanden ist in jener Nacht, als sich der Unfall ereignete und sie den Versuch abbrechen mussten.«
Trask blickte ihn im beinahe schmerzhaften, blau-weißen Schein der defekten Neonbeleuchtung an. »Und da drin halten Sie Ihren Besucher gefangen? Da drin? Im Innern des Tores?«
»Selbstverständlich! Wir können ihn doch nicht herauslassen, ehe wir wissen, womit wir es zu tun haben.«
»Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir ihn uns einmal ansehen«, sagte Trask. »Wie lange ist er jetzt denn schon hier?«
»Seit vier Tagen«, erwiderte Tzonov. »Als Erstes wurde Premierminister Turchin persönlich über die Ankunft des Fremden informiert, danach hat man
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