Totenblick: Thriller (German Edition)
meiner Bestattungsvorbereitung kleine Tricks, um zu verhindern, dass sich die Lider des Verstorbenen öffnen, auch wenn es dabei weniger um Aberglauben geht. Es ist für die Trauernden ein Schock, wenn der Tote plötzlich während des Defilees die Augen aufreißt.« Korff betrachtete den Tatort. » Die Ermordung des Marat oder so ähnlich. Jemand hat sich inspirieren lassen. Ziemlich krank.«
»Und wie schützt man sich vor der Wirkung?«, hakte Schwedt nach. »Sie als Bestatter werden das wissen.«
»Sind Sie abergläubisch, Frau Kommissarin?«
»Nein. Neugierig. Liegt am Beruf.«
Korff atmete langsam ein. »Wissen Sie, ich fürchte den Tod nicht. Wir Bestatter genießen seine besondere Gunst. Und solange wir mit den Verstorbenen würdevoll umgehen, sind wir vor seinem Zorn sicher.« Er schenkte ihr ein Lächeln, während er mit dem Daumen über den Ring rieb, was Rhode verwirrend fand. Den Mann umgab eine besondere Aura, die ihm schon mehrmals aufgefallen war. Außerdem konnte er sich seinen Namen merken, und das stellte eine Ausnahme an sich dar. Etwas ging vom Bestatter aus.
»Kleiner Scherz«, schob Korff nach. »Gebete helfen. Gebete zugunsten des Seelenheils und für den Verstorbenen, damit er sich gnädig zeigt. Ein Amulett gegen den bösen Blick könnte es möglicherweise auch tun wie das Schlagen des Kreuzes, sofern der Tote einen christlichen Hintergrund hat. Ich müsste mich erst kundiger machen. So lange können Sie im Internet recherchieren, aber ich garantiere nicht dafür, dass etwas Brauchbares dabei ist.«
»Demnach ein morbider Gag des Mörders?«, fasste Schwedt zusammen und sah auf das Blatt mit der Warnung. »Er will uns Angst machen.«
»Ich lasse alle Papiere auf Geheimschriften untersuchen. Vielleicht steht da noch was.« Rhode schaute zum Toten und hatte plötzlich das Bedürfnis, dessen Lider zu schließen.
Aus den gebrochenen Augen schien eine Gefahr aus einer anderen Welt in das Zimmer zu blicken und die Anwesenden zu sondieren. Die leblosen Pupillen suchten sich ein Opfer …
»Wir sagen den Streifenpolizisten auf alle Fälle Bescheid.« Rhode schüttelte sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf Korff. »Sind wir uns einig, dass Sie niemandem davon erzählen?«
»Weder ich noch mein Azubi«, bekräftigte der Bestatter. »Wie immer stehen das Ars Moriendi und ich für einhundert Prozent Verschwiegenheit.«
Rhode überlegte einen Moment, dann kreuzte er die Arme. »Ich weiß, Sie interagieren mehr mit den Toten, aber haben Sie eine Ahnung, wer unser Opfer ist?«, fragte er, seiner Eingebung folgend.
»Sie liegen falsch, Hauptkommissar. Ich habe ebenso viel mit den Lebenden zu tun, von den Angehörigen des Verstorben bis hin«, Korff zwinkerte, »zu Polizisten an einem Tatort.« Er machte einen Schritt näher auf die Wanne zu, drehte den Baustrahler mit dem Fuß, bis das helle Licht auf den Toten fiel. »Oh! Jetzt weiß ich, warum das Konzert ausgefallen ist.«
»Konzert? Ein Rockmusiker?«, fragte Schwedt überrascht.
Der Bestatter verneinte. »Ich bin öfter im Gewandhaus … gewesen. Ich sah ihn auf einem Werbeplakat, das an einer der Eingangstüren hing: Armin Wolke. Ein Ex-Thomaner und Leipzigs bester klassischer Pianist. Er hätte gestern Abend ein Chopin-Konzert geben sollen, das aus gesundheitlichen Gründen in letzter Sekunde abgesagt wurde.«
»Gesundheitliche Gründe.« Schwedt lachte bitter auf.
Rhode schloss für Sekunden die Augen, dann drehte er sich schnell herum. Er wollte dem Blick des Toten entkommen, der einen verflucht bekannten und einflussreichen Vater hatte.
Das erschwerte die Ermittlungen.
Er ahnte, dass sich Georg Wolke einmischen würde. In alles. Die Mittel und Verbindungen dazu hatte er im Überfluss. Seine Finger spannten sich um den worry stone, als ließe sich der Marmor zerpressen. »Ich hole Wiesenbach. Sie sollen den Jungen aus dem Wasser holen und die Wanne untersuchen.«
»Weißenberg«, rief Schwedt. Sie schien die Tragweite noch nicht begriffen zu haben. Dafür war sie noch nicht lange genug in Leipzig oder kannte sich zu wenig mit den Beziehungsgeflechten der High Society aus.
»Ja, danke.« Von nun an schloss er jeglichen Zufall in diesem Mord aus. Weder die Wahl des Ortes noch des Opfers noch der Inszenierung. Ein toter Wolke. Das fehlte noch. »Herr Korff, Sie schaffen die Leiche bitte sofort in die Gerichtsmedizin. Und Vorsicht: Der Kopf ist vermutlich nur angeklebt.«
»Wird gemacht, Herr Hauptkommissar.«
Rhode ging
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