Totenbraut (German Edition)
drohte Pandur. Die Dörfler nickten zustimmend und wiederholten den Ausruf, bis der ganze Pulk summte wie ein Wespenschwarm.
Tramner war ein besonnener Mann, aber nun schwoll auch ihm eine Ader an der Stirn.
„Ich werde einen Bericht schreiben!“, donnerte er so laut, dass die Leute erschreckt zurückwichen. „Und bis ich Antwort und Weisung habe, rührt mir hier keiner die Toten an!“
Im nächsten Augenblick sprachen alle durcheinander. Die Dorfbewohner empörten sich und jammerten, Pandur redete aufgeregt auf Tramner ein, doch dieser winkte nur ab. „Soll sie doch der Hadnack zur Vernunft bringen“, knurrte er den Offizieren zu. „Dieser Aberglaube ist ja eine richtige Hajdukenpest!“
Mit großen Schritten ging er auf sein Pferd zu, das beim Leichenhaus angebunden war, und stieg auf. Ich dachte schon, er würde mich zurücklassen, aber er winkte mir zu, ihm zu folgen. Wir waren noch nicht einmal beim Tor, als der Priester uns einholte.
„Wie lange wird es dauern, die Erlaubnis einzuholen?“, fragte er mit mühsamer Beherrschung.
Tramner zuckte mit den Schultern. „Drei Tage? Drei Wochen? Ich weiß es nicht.“
Anđelko seufzte. „Eine lange Zeit“, murmelte er. „Aber ich bitte Euch, Herr, setzt Euch dafür ein, dass die Vampire vernichtet werden dürfen.“
„Wenn es denn Vampire sind“, antwortete Tramner. Er schnalzte und sein Pferd setzte sich in Bewegung. Ich blieb ein wenig zurück, während der Priester neben Tramners Pferd herging und den Arzt zu überzeugen versuchte.
„Wie könnt Ihr bloß zweifeln! Ihr habt es doch selbst gesehen.“
„Vielleicht ist es so, vielleicht aber auch nicht, Anđelko“, entgegnete der Medicus müde. „Zur Stunde sind es nur suspekte Leichen. Man müsste eine chirurgische Visitation anstellen und herausfinden, woran diese Menschen wirklich gestorben sind. Nun, ich habe die Dorfbewohner untersucht. Sie scheinen keine ansteckende Krankheit zu haben. Aber die, die starben, haben das Fleisch getöteter Schafe gegessen, die auf der Weide lagen. Vielleicht haben die Wölfe die Tiere nicht gefressen, weil die Schafe an einer Krankheit litten? Möglicherweise hatte das Fleisch etwas Giftiges. Oder es liegt einfach an den seltsamen Fastenbräuchen hier. Die Lebensmittel, die Ihr zu euch nehmt – Kleienbrühe, Holzapfelsuppe und Essig, rohe Zwiebeln, Knoblauch, Sauerkraut! Und dann der Branntwein, das viele Fasten und dann wieder die Völlerei zwischen den Fastentagen. Das könnte auch den stärksten Habsburger ins Grab bringen.“
„Es besteht kein Grund, uns zu verspotten“, sagte der Priester würdevoll.
„Tue ich das?“ Tramner sah mit gerunzelter Stirn zu ihm herunter, dann hielt er an, stieg vom Pferd und ging Schulter an Schulter mit Anđelko auf das Dorf zu.
„Ich will niemanden beleidigen“, lenkte er ein.
Ich beschleunigte meine Schritte. Milutin hätte mich sicher weggescheucht, aber der neue Pope hatte offenbar nichts dagegen, dass eine Frau sich zu den Männern gesellte.
„Jovan, er ... sieht aber lebendig aus“, sagte ich mit fester Stimme zu Tramner.
„Das sagt manchmal mehr über das Erdreich als über den Toten selbst etwas aus“, erwiderte er. „Bisweilen liegt es an der Feuchtigkeit. Es gibt solche Fälle. Das Erdreich besitzt an manchen Orten eine balsamische – also konservierende – Kraft. Feuchtigkeit bringt den Körper in eine innere Gärung, deshalb sieht er noch so lange frisch aus. In deutschen Bergwerken hat man auf diese Weise einbalsamierte Leichen gefunden, die schon viele Jahrzehnte tot waren und dennoch so aussahen, als würden sie jeden Moment die Augen aufschlagen.“
Der Priester blieb ruckartig stehen. Bisher hatte er sich gut beherrscht, nun aber zitterte sein Bart. Alles an ihm war Empörung.
„Wie könnt Ihr das glauben?“, rief er mit zornbebender Stimme. „Gott allein bestimmt über die Gnade der Verwesung, nicht das Erdreich!“ Verächtlich spuckte er das letzte Wort aus. Und mit leiserer Stimme fügte er hinzu: „Ich habe viele von ihnen gesehen und getötet. Glaubt, was Ihr wollt, aber wenn Ihr mich nicht mein Werk für diese Seelen tun lassen wollt, dann werde ich persönlich den Leuten helfen, ihre Bündel zu schnüren und fortzuziehen. Denn dann bleibt ihnen wahrlich keine andere Wahl.“
Ohne ein weiteres Wort ließ er uns stehen und eilte mit hochgezogenen Schultern auf das Dorf zu. Ich sah ihm mit einem flauen Gefühl nach. Noch heute würde ich zu ihm gehen müssen!
Tramner
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