Totenbraut (German Edition)
seufzte. „Da siehst du es, Mädchen. Nimm es mir nicht übel, aber ihr Raitzen seid schon ein abergläubisches Volk. Nun ruht auf mir auch noch die Zukunft des Dorfes!“
Ich widersprach ihm nicht. Wie hätte ich ihm auch erklären können, dass ich nur zu gut verstand, wie dem Popen und den Dorfbewohnern zumute war! Es war erst wenige Tage her, als ich im Fieber geschworen hätte, dass Vampir mir die Kräfte aussaugt.
„Ihr ... glaubt wirklich nicht daran?“, fragte ich. „Soll ich offen sein? Nein.“
„Aber wie erklärt Ihr Euch dann das Sterben?“
Der Arzt ging langsam weiter. „Ich denke, da ist etwas ganz anderes im Spiel als übernatürliche Mächte, Jasna“, sagte er. „Es ist nichts weiter als die Furcht! Sie ist das Gefährlichste für den Menschen. Besonders in Seuchenzeiten. Sie allein kann schon den Tod mit sich führen. Kummer, Melancholie und Traurigkeit heißen die drei Übel, die mit ihr einhergehen. Durch schwere Träume werden die Kräfte des Leibes und der Seele so geschwächt, dass die Leute krank werden. Und das Fieber macht das Gehirn dann für Gesichter und Einbildungen empfänglich. Das nennt man Albdrücken: Die Fantasie zeigt den Kranken das, wovor sie sich fürchten. Wir werden mit den Toten deshalb so verfahren müssen, wie die Leute es wünschen, nur dann hört nämlich die Furcht auf und macht nicht noch mehr Menschen krank.“
Eine ganze Weile ging ich schweigend neben ihm her. „Was ist, wenn jemand lebt und ein Vampir ist?“, fragte ich schließlich mit klopfendem Herzen. „Wenn er von jemandem verflucht wurde und deshalb in der Sonne verbrennt?“
Der Medicus blieb stehen und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
„Ich habe nur davon gehört“, beeilte ich mich zu sagen. „Von ... einem Jungen, der verflucht wurde und dessen Seele dem Teufel gehört.“
„Bemerkenswert! Erzähle mir doch von diesem Fall“, forderte mich Tramner auf.
Ich leckte mir über die Lippen, dann begann ich vorsichtig, verfremdete die Tatsachen, dachte mir eine andere Familie aus und beschrieb Vampir in allen Einzelheiten.
Nachdem ich geendet hatte, zog Tramner die Luft durch die schmalen Nasenflügel ein und kniff die Augen zusammen. „Tja, das wäre ein interessanter Fall, wenn man wüsste, dass es ihn wirklich gibt. Allerdings hört es sich eher wie eine Schauergeschichte an.“
„Aber wenn es keine wäre?“
„Hm, nun ja, manchmal ist der Glaube an einen Fluch schon der Fluch selbst“, sagte Tramner nachdenklich. „Der Geist wirkt auf den Körper und Furcht und Einbildung können eine Wirkung auf ihn haben. Aber selbst wenn diese Krankheit der Haut nicht von der Einbildung herrührt, muss sie noch lange nicht vom Teufel stammen.“
Krankheit. Es klang verkehrt, ketzerisch sogar, und alles in mir sträubte sich dagegen, aber ich hörte dem österreichischen Arzt trotzdem atemlos zu.
„Tja, es gibt nun mal Tatsachen, die wir nicht leugnen dürfen, auch wenn wir sie nicht erklären können“, fuhr er fort. „Aber es müssen nicht alle Naturwunder entweder Gott oder dem Teufel zugeschrieben werden. Die Natur ist voller verborgener Kräfte. Sie wirken zum Beispiel bei der Übertragung der Pocken. Oder was ist mit der Raserei von Hunden? Nur hat all das nicht im Geringsten mit teuflischer Magie zu tun. Der Teufel übt sein Werk vor allem mithilfe von Hexen aus, nicht mithilfe der Natur.“
Ich dachte über diese Worte nach, während wir durch das Dorf zum Haus des Hadnacks gingen. Sie wühlten mich auf und fanden doch einen Widerhall in meinem Inneren. Aber die Vorstellung, dass nicht alles von Gott oder dem Teufel kam, war zu ungeheuerlich, um sie einfach so anzunehmen. Was galt dann überhaupt noch? Und dennoch: Es gab vieles, was geschah, obwohl es nicht den Geboten entsprach. Vor Gott war meine Liebe zu Dušan Ehebruch – und stammte demnach vom Teufel. Und dennoch fühlte es sich ganz und gar nicht so an.
„Warte hier“, sagte Tramner, als wir vor seinem Quartier angekommen waren.
Da fiel mir ein, dass er mir etwas geben wollte. Beunruhigt trat ich von einem Fuß auf den anderen, bis er endlich wieder auf die Schwelle trat und mir zu meiner großen Verblüffung einen Brief überreichte. Er war mit einem halb zerbröckelten Siegel verklebt und mit Zwirn umwickelt.
„Der liegt seit Monaten schon beim Obersten in Jagodina“, erklärte der Arzt. „Dort gibt es natürlich keine Jasna Vuković. Hätte ich es nicht zufällig erfahren, dann hättest du ihn
Weitere Kostenlose Bücher