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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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zu und suchte schon im Laufen nach dem richtigen Schlüssel. Ich sprang gerade die letzte Stufe zur Tür hoch, als mir der Schlüsselbund aus der Hand fiel und auf der Schwelle landete. Das Geräusch des klappernden Metalls erschien mir in der Stille ohrenbetäubend laut. Hastig bückte ich mich, griff nach dem Bund und zuckte erschrocken zurück. Etwas Nasses klebte an meiner Hand und tränkte den Rand meines Ärmels. Erst dachte ich, es wäre Wasser, doch dann sah ich, dass sich der Ärmelrand rot verfärbt hatte, und fuhr mit einem Schrei hoch. Blut auf der Schwelle! Beinahe wäre ich die Treppe hinuntergestolpert, doch ich fing mich gerade noch und starrte mit rasendem Herzen auf die Lache. Zu durchsichtig , dachte der vernünftige Teil in mir, während ich noch vor Entsetzen nach Luft schnappte. Dann nahm ich den säuerlichen Geruch wahr. Es war nur verschütteter Wein! Aber warum floss er unter der Tür hindurch? Hastig hob ich den Bund auf und steckte den Schlüssel ins Schloss. Doch die Tür war nicht mehr verschlossen, sie gab sofort nach und schwang auf.
    „Danilo?“, rief ich. Niemand antwortete. Der Weinkrug, den ich gestern gefüllt und auf den Tisch gestellt hatte, war umgefallen und der dunkelrote Wein hatte sich über Tisch und Boden ergossen. Die Küchentruhe stand offen. Hatte ich sie heute Morgen nicht geschlossen? Ich sprang über die Weinlache, nahm die schwerste Pfanne vom Haken und rannte zur Stiege. Die gespenstische Stille umfing mich auch in der Schlafkammer. Niemand war hier, natürlich nicht. Danilo war fort und Nema hatte keinen Schlüssel mehr. Vorsichtig kletterte ich wieder in den Küchenraum und sah mich genauer um. Jetzt erst fiel mir auf, dass ein Fenster offen stand. Die Läden waren wieder zugefallen, aber ich erkannte trotzdem den Spiegel. Er stand schräg an den Fensterrahmen gelehnt, als hätte sich jemand darin betrachtet und ihn eilig weggestellt, um aus dem Haus zu flüchten. Vielleicht, weil ich zurückgekehrt war?
    Eine ganze Weile stand ich nur da und versuchte ruhig zu atmen. Ich wusste, dass weder Simeon noch Danilo mir glauben würde. Soweit ich sehen konnte, war nichts gestohlen worden, aber ich dachte ohnehin nicht, dass dies das Werk eines fremden Einbrechers war. Ich nahm den Spiegel vom Fenster und betrachtete mich darin. Es war eine ganze Zeit her, dass ich mich selbst gesehen hatte. Die blasse junge Frau mit den dunklen Ringen unter den Augen gefiel mir nicht. Wie sehr hatte ich mich verändert! Ich sah älter aus und ernster. Diese lauernde Bedrohung war dabei, aus mir jemanden zu machen, in dessen Gesicht sich tiefer Kummer abzeichnete, und ein furchtsamer Zug lag um die Augen.
    Zorn regte sich in mir wie damals, als ich in meines Vaters Haus mit dem Knüppel in den Händen neben der Tür gestanden hatte, bereit, das Leben meiner Familie zu verteidigen. Manchmal hat man nur die Wahl, dem Feind entgegenzutreten. Keine Branka und kein Priester würden mir helfen, also war es Zeit, dass ich Marja selbst von meiner Schwelle vertrieb.
    Drei neugierige Tauben starrten vom rauchgeschwärzten Dach auf mich herunter, als ich mit klopfendem Herzen im Schutz des Gestrüpps zu der verwitterten Tür trat. Sie hatte sogar ein Schloss. Von der Ferne war es mir nur noch nie aufgefallen, so verschmutzt und verkrustet war es. Ich nestelte nervös an meinem Schlüsselbund. Doch kein einziger meiner Schlüssel passte. Ob Nema mir den richtigen vorenthalten hatte? Nein, sie hatte gar keine Zeit gehabt, ihn vom Bund zu nehmen. Viel wahrscheinlicher war, dass der Schlüssel längst verloren gegangen war.
    Nun, es gab noch einen anderen Weg. Ich blickte am Turm hoch und schätzte die Entfernung zum Fenster ab. Dann schob ich den Kamm und den Spiegel in meinen Gürtel und ging ein Stück um den Turm herum. Ein Zweig zerbrach knackend unter meinem Fuß, als ich unter einem der verkrüppelten Obstbäume ankam. Die Tauben erhoben sich in die Luft und flohen. „Herr, beschütze mich, halte alles Böse fern“, betete ich flüsternd, während ich mir den Rock hochband und die Opanken und Strümpfe auszog, weil ich barfuß besser klettern konnte. Dann zog ich mich am Baumstamm hinauf zu dem untersten der schartigen Fenster. Ich erhaschte einen Blick in das zerstörte Innere des Turms. Verkohlte Balken staken kreuz und quer von den Wänden. Vorsichtig sah ich mich zum Stall um. Der Schweiß brach mir aus: Ganz unten, am Rand der Weide, besserten die Knechte eine Mauer aus. Sobald sie die

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