Totenbraut (German Edition)
aussehen zu lassen, doch nah genug, um uns zu unterhalten.
„Willst du immer noch in die Kirche?“, wollte er wissen. „Die werden dich nicht reinlassen. Der Pope sagt, keiner soll dir einen Hund verkaufen, der würde sonst nur die Schafe im Dorf reißen und die Menschen anfallen. Sie sagen, alles, was über Nacht auf eurem Gut bleibt, kehrt verwandelt und böse wieder.“
Ich spürte, wie ich blass wurde, und ich hoffte, Dušan würde mir nicht ansehen, wie sehr diese Worte mich verunsicherten.
„Na, dann würden schon eine Menge Offiziere auf Teufelspferden reiten“, entgegnete ich betont kühl.
Dušan lachte. „Vielleicht haben sie deshalb gegen die Osmanen gesiegt?“, sagte er leichthin. „Ein Teufel gegen den anderen? Kennst du eigentlich die Geschichte, warum Kraljević Marko nicht zum Amselfeld kam, um die Türken zu besiegen?“
Verstohlen betrachtete ich Dušan von der Seite, als er vom Königssohn Marko berichtete. Es gefiel mir, wie seine Augen dabei leuchteten und wie er mit lebhaften Gesten seine Erzählung ausmalte. Es waren gestohlene Augenblicke einer seltsam flirrenden Vertrautheit, ehe Dušan und ich uns wie zufällig wieder trennten, bevor jemand uns gemeinsam sah.
Begegneten wir uns im Dorf, sprachen wir niemals miteinander.
So sehr hatte ich gehofft, Freundinnen zu finden, doch Sonntag für Sonntag jagte Milutin mich von der Kirchentür fort wie ein Racheengel die sündige Seele. Dennoch setzte ich mich unter den Pflaumenbaum, dessen Blütenblätter wie Schnee auf mich herabrieselten, bevor sie der Wind im Johannismonat endgültig mit sich nahm. Ich lauschte den Liturgiegesängen und sah nach dem Gottesdienst den Burschen und den ledigen Mädchen in ihren weißen Röcken beim Kolo -Tanzen zu. Halb krank vor Sehnsucht nach allem, was ich verloren hatte, sang ich in Gedanken ihre Pitalice mit – scherzhafte Fragen und Antworten, die sie einander im Chor zuriefen. Wie gerne hätte ich mit ihnen gesprochen, doch in ihrer Mitte war ich ein Geist, den ihre Blicke durchdrangen. Die Frauen waren hart zu mir und ließen mich spüren, dass ich die Fremde war und bleiben würde. Einzig Branka und die Bäuerin Stana redeten von Zeit zu Zeit mit mir. „Und, was gibt es Neues bei den Türmen?“, fragte Branka mich jedes Mal drängender. Ich hätte ihr sagen können, dass Marjas Geheimnis mich beinahe erstickte und dass ich jeden Tag neue Dinge bemerkte, die mich beunruhigten: dass Nema manchmal grundlos weinte und auch Jovan an diesen Tagen düster und fahrig wirkte. Dass Gespräche verstummten, sobald ich in die Nähe kam. Dass ich keinen Knoblauch anrühren durfte, als wäre es ein Frevel, das Böse fernzuhalten, und dass Nema sogar die Kreidekreuze wegwischte, die ich zur Abwehr von Mora und Upiren an die Türen gezeichnet hatte. Jovan nannte mich nur noch selten „Tochter“ und verwandelte sich nur an den Abenden, an denen wir Gäste hatten, in den freundlichen Hausherrn, der lachte und Geschichten erzählte. Zwischen ihm und seinem Sohn war eine Kälte, die mich frösteln ließ. Zu mir war Danilo seit unserem Gespräch freundlich, aber er mied das Ehebett, als sei es verflucht. Insgeheim war ich erleichtert darüber. Oft, wenn ich nachts erwachte, bemerkte ich, dass Danilos Bettseite unberührt war. Manchmal blieb er sogar den Tag über verschwunden. „Er ist zu den entfernteren Weiden der Pächter aufgebrochen“, antwortete Simeon mir, als ich ihn fragte. „Und in manchen Nächten ist er ruhelos, manchmal reitet er dann zum Stalater Regiment.“ Und ich glaubte ihm. Warum auch hätte ich an seinen Worten zweifeln sollen?
Doch von all dem erzählte ich Branka nichts. Stattdessen ertrug ich ihre Neugier und ihre ständigen Ratschläge.
„Sieh an, die Samohranica “, nuschelte Stana mir eines Sonntags zu. „Die Witwe von Luka Dimić.“
Ich hatte erwartet, eine alte, verhärmte Frau zu sehen, aber diese Witwe war sicher keinen Tag älter als achtzehn. Als sie näher kam, sah ich, dass sie ein weiches, hübsches Gesicht mit traurigen Augen hatte. Das schwarze Haar trug sie streng gescheitelt. Junge Witwen hatten es in allen Dörfern schwer, aber diese hier schien besonders wenig Ansehen zu besitzen. Einige Kinder versuchten ihr unbemerkt einen Ziegenschwanz hinten an den Gürtel zu stecken, aber sie entdeckte das grausame Spiel und vertrieb die Meute. Die Männer pfiffen ihr nach und rissen anzügliche Witze und ich sah mich unter dem Baum plötzlich von Frauen umringt.
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