Totenbraut (German Edition)
ich fiel mit einem Ausruf des Erschreckens zurück und musste mich mit aller Kraft festhalten, während wir im Galopp den Türmen entgegen flogen.
Spiegel und Kreuz
I
ch beherzigte Brankas Rat und legte einen von Danilos Gürteln auf die Bettdecke, um Marja fernzuhalten. Doch als hätte die Geschichte der Alten das Unglück erst recht herbeigerufen, fand ich Dinge, die mich in meinem Argwohn bestätigten: Jemand legte in der Nacht dornige Ranken auf meine Schwelle, als sollte ich mich daran verletzen. Das Messer verschwand vom Fensterbrett und tauchte nicht wieder auf. Eines Morgens lag vor der Tür eine blutverschmierte tote Taube, mit ausgebreiteten Flügeln wie ein Gekreuzigter. Doch niemand außer mir wollte die stumme Drohung bemerken. „Das bildest du dir ein“, knurrte Simeon unwillig. „Hier gibt es Turmfalken, einer davon hat die Taube wohl getötet. Und das Messer hast du sicher selbst verlegt.“
Nur der Schwarze Turm grinste höhnisch. Tagsüber gelang es mir, mich abzulenken. Schon vor Tagesanbruch knetete ich den Teig für das Maisbrot. Ich brachte Ordnung in den Stall und räumte die vier Vorratsschächte in der lehmigen Gruft aus. In einem fand ich zwei große Fleischstücke, die längst nicht mehr genießbar waren. Seltsamerweise rochen sie nicht verfault, sondern waren nur hart und trocken geworden, außerdem bedeckte sie eine fettige wachsartige Schicht. Ich vergrub die Überreste hinter dem Turm und trug mit dem Spaten eine Schicht Erde in den Vorratsschächten ab.
Doch sobald es dunkel wurde, kam die Angst zurück. Ich wagte kaum noch einzuschlafen und wenn es mir doch gelang, schrak ich bald darauf keuchend aus Träumen von Feuer und Rauch wieder hoch. Marja war überall, und fast war es mir, als könnte ich ihren Atem auf meinem Nacken spüren. Nema, die mir immer noch wegen der Schlüssel zürnte, antwortete mir auf keine einzige Frage. Doch sie folgte mir wie ein Schatten, als ich jede Kammer durchwühlte, ohne genau zu wissen, was ich zu finden hoffte. Tatsächlich stieß ich auf Spuren der toten Herrin. Ich erkannte es an Nemas Zusammenzucken, an dem schmerzhaften Flackern, das über ihr Gesicht glitt, wenn ich einen Gegenstand der Vergangenheit aus einer Truhe zog. Ich fand einen weißen Kamm und einen handgroßen Spiegel, der vom Staub so blind war, dass ich mein Gesicht darin nur als gespensterhaften Schemen sah. Im Kamm hatte sich auch ein langes Haar verfangen. Überrascht zog ich es heraus und hielt es ins Licht. Mein Bild einer hellhaarigen, sanften Frau verwandelte sich endgültig in das einer dunklen Schönheit mit blutroten Lippen.
„Du hast ihr Haar sicher oft damit gekämmt“, sagte ich zu Nema. „Erzähl mir von ihr ...“ Aber die Alte hatte sich bereits abgewandt und stürzte davon, als wäre der Teufel hinter ihr her. Ich sah sie an diesem Tag nicht wieder. Doch als ich am nächsten Morgen vor unserem Turm Knoblauch aufschnitt, um damit zum Schutz vor allem Bösen die Schlösser abzureiben, geschah etwas Seltsames: Nema schoss auf mich zu und riss mir den Knoblauch aus den Händen. Sie schnappte sich meinen Korb und hastete damit so schnell davon, dass ich ihr nur erstaunt nachblickte. Als ich ihr durch die Türkenkammer folgte, hatte sie den Knoblauch samt dem guten Weidenkorb ins Herdfeuer geworfen. „Was machst du da?“, rief ich entsetzt aus. Doch sie spuckte nur in die Flammen und funkelte mich böse an. Ich schimpfte, sie schnitt Grimassen und verfluchte mich mit ihren Händen. An diesem Abend hielt ich mich von der Türkenkammer fern und nähte zur Abwehr böser Geister Weißdorn in den Saum meiner Röcke ein.
Dušan sah ich an einem der Sonntage wieder. Ich war überrascht, dass er ein sauberes Hemd und neue, dunkle Hosen trug. In der Morgensonne hatte sein Haar den Schimmer von hellem Wein.
„He, bleib stehen und küss mich, Ljubica !“, rief er, als ich schnellen Schrittes das Wegkreuz passierte.
„Küss doch den Galgenstrick, du Holzklotz!“
„Na warte, Hexe!“, schimpfte er und sprang auf. „Keiner nennt mich Holzklotz!“
„Ist Dieb vielleicht besser?“, gab ich spöttisch zurück. „Du schuldest mir immer noch eine Antwort!“
„Ach, neugierig ist sie auch noch?“
Wieder wollte er mich begleiten und wieder wies ich ihn mit Schimpfworten und Drohungen ab. Doch an diesem Tag hob ich keinen Stein auf und wir gingen zum ersten Mal ein Stück des Weges gemeinsam – weit genug voneinander entfernt, um es wie Zufall
Weitere Kostenlose Bücher