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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Köpfe wandten, würden sie Jovans Schwiegertochter sehen, die wie eine Hexe mit nackten Beinen am Schwarzen Turm hochkroch. Schnell arbeitete ich mich durch brechendes Geäst weiter nach oben, setzte das Knie auf das Fensterbrett und kletterte durch die schmale Luke in den Turm.
    Um ein Haar hätte ich die Gefahr übersehen. Gerade noch rechtzeitig fand ich mit den Armen wedelnd mein Gleichgewicht und fuhr zurück. Sonnenfinger stachen durch Ritzen und Löcher und brachen sich an zersplitterten Dielen. Der Boden vor mir war aufgerissen. Ich stand auf einer kleinen, noch unversehrten Holzplatte auf dem dicken Tragebalken und krallte mich wie eine Fledermaus in die Scharten der Wand. Stäubchen tanzten in der Luft vor meiner Nase. In der Hitze war der Gestank nach Moder, Fledermauskot und Taubendreck so stark, dass mir beinahe übel wurde. Erst nach einer Weile wagte ich die Wand loszulassen. Vorsichtig ging ich in die Hocke, stützte mich mit den Händen auf und beugte mich vor. Durch das klaffende Loch erkannte ich im unteren Stockwerk Lehmboden, vertrocknetes Laub und Taubenfedern. Was hast du denn geglaubt? , schalt ich mich. Dass Marja nicht tot ist und hier mit Tisch und Bett lebt? Es ist ein Grab!
    Ich kroch zurück und legte Spiegel und Kamm auf den Balken zu meinen Füßen. Auf beide Gegenstände hatte ich Kreuze gezeichnet.
    „Das gehört dir, Marja!“, rief ich. Meine Stimme klang dumpf und staubig wie alles hier im Raum. „Das wolltest du doch zurückhaben, also nimm es und lass mich zufrieden!“ Ich lauschte mit bangem Herzen, doch alles, was ich hörte, war das ferne Wiehern einiger Pferde. Staub kitzelte in meiner Nase und die Zunge klebte mir am Gaumen. Es kostete mich unendlich viel Mut, den Bann zu sprechen, den meine Mutter mich gelehrt hatte. „Gott, dein Herr und Schöpfer, halte dich in deinem Grab“, sagte ich laut und deutlich, während ich das Kreuzzeichen schlug. „Du gehörst nicht länger auf die Erde. Bleib fern von uns, dein Platz ist nicht bei den Lebenden. Bleib fern von uns oder Schmerz wird dich suchen. Bleib fern oder das Feuer der Engel soll dich verbrennen und dir die Gnade nehmen. Amen.“
    Mit einem Mal war alles noch viel stiller als zuvor. Etwas schien den Atem anzuhalten. Die Härchen sträubten sich an meinen Armen, dann – jäh wie ein wildes Tier, das mich anspringt – hatte die Angst mich wieder in ihren Fängen. Ich schnellte hoch und rettete mich mit einem waghalsigen Satz zum Fenster. Staub rieselte, Steinchen prasselten unter meinen Fingern, als ich mich über das Fensterbrett schwang. Ohne auf die Knechte zu achten, kletterte ich am Baum herunter, als wäre der Teufel hinter mir her. Erst als ich an den unteren Ästen angelangt war, verharrte ich, während mein Herz raste und die Schrammen an meinen Armen pochten.
    „Was machst du da?“
    Vor Schreck hätte ich beinahe das Gleichgewicht verloren. Ich blickte mich um und wusste nicht, ob ich wütend sein oder vor Scham im Boden versinken sollte.
    Es war Dušan. Er stand nicht weit vom Turm entfernt und hatte meine überstürzte Flucht offenbar in aller Seelenruhe beobachtet. Er grinste, doch er machte keine Anstalten, mir Hilfe anzubieten. Stattdessen riss er ein winziges Ästchen vom Baum ab und steckte es sich in den Mund, um darauf herumzukauen wie auf Süßholz. Einige Schritte hinter ihm wartete sein Pferd. Es war schweißbedeckt, als hätte es einen schnellen Ritt hinter sich, und trug den schäbigsten Sattel, den ich je gesehen hatte. Am Sattelhorn hingen zwei prall gefüllte Säcke.
    Ich holte tief Luft, kletterte die letzten Meter hinunter und sprang auf den Boden. Als ich den Rock hastig wieder über meine Knie zerrte, stach ich mich am eingenähten Weißdorn.
    „Gut klettern kannst du jedenfalls, Gräfin!“, bemerkte Dušan. „Aber für Obstbäume gibt es auch Leitern. Andererseits – so sieht man deine Beine besser!“
    „Was hast du hier zu suchen?“, herrschte ich ihn an.
    Dušan pfiff durch die Zähne. „So unfreundlich?“, entgegnete er schmunzelnd. „Mein Weg führt mich hier vorbei, das ist alles. Viel interessanter ist doch die Frage, was du hier machst.“
    „Das geht dich nichts an.“
    Dušans Augen verengten sich, als er mich genauer betrachtete. Ich musste einen jämmerlichen Anblick bieten. Meine Arme waren von den Zweigen zerkratzt. Im Haar hatten sich Spinnweben und Blätter verfangen.
    „Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen“, sagte Dušan. Zu meinem

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