Totenbraut (German Edition)
einem Zischen zurück, das mir eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich hatte angenommen, meine Frage hätte sie zu Tode erschreckt, aber auf einmal wurde mir klar, dass ich bei ihr unversehens einen wunden Punkt getroffen hatte.
„Sie ist also wirklich noch hier!“, setzte ich nach. „Ihr ... ihr füttert eine Tote mit dem Blut der Pferde? Oder – ist sie etwa gar nicht tot?“ Diesen ungeheuerlichen Verdacht hatte ich noch nicht einmal vor mir selbst eingestanden.
Nemas Gesicht verzerrte sich. Mit ihren eingefallenen Augen und den hohlen Wangen wirkte sie wie ein Geist. Ihre vernarbte Hand schnellte nach vorne, doch ich duckte mich flink unter ihrem Schlag weg und sprang zurück.
„Hast du den Verstand verloren?“
Rede nicht über sie! , sagten die roten Hände und Nemas wütende Miene. Niemals! Im Halbdunkel des Stalls schienen ihre Augen zu glühen, ihre verkrümmten Finger glichen Krallen und für einen Moment hatte ich Angst vor ihr.
„Sag mir die Wahrheit!“, flüsterte ich. „Lebt sie noch? War sie in meinem Turm und hat ihren Spiegel gesucht?“
Nema schüttelte den Kopf. Sie ist verbrannt!
„Schwörst du es bei deinem Leben?
Sie seufzte und nickte. In ihrer Miene lag so viel Trauer, dass ich ihr glaubte.
„Dann ist es also doch Marjas Geist. Er sucht das Gut heim und trinkt das Blut. Du musst mir helfen, Nema! Wir müssen dem ein Ende machen!“
Ein tonloses Lachen, bitter, beinahe koboldhaft verzerrt. Erst dachte ich, Nema wollte wieder nach mir schlagen, aber dann sah ich, dass sie eine Geste machte. Ihr Zeigefinger zeigte auf ihren Scheitel und zeichnete den Schwung einer Strähne nach.
„Wen meinst du? Jovan?“, fragte ich. „Was redest du da?“
Schweig!, gab sie zurück. Wenn nicht, wird Jovan dich töten! Böse funkelte sie mich an, wich einen Schritt zurück und noch einen.
„Warte! Warst du in meinem Haus und ...“
Bleib mir vom Leib! , befahlen die Krallenhände. Komm mir nie wieder zu nahe!
Dann drehte sie sich um und rannte hinaus. Ich hätte sie leicht einholen können, doch ich war unfähig mich zu regen. Die Luft im Stall war stickig und voller Staub, aber nicht nur deshalb hatte ich Mühe zu atmen. Ich umklammerte Vetars Mähne, schloss die Augen und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Ich fragte mich, ob ich wirklich so blind gewesen sein konnte, Nema falsch einzuschätzen. Vielleicht hatte ich tatsächlich eine Feindin auf dem Hof. Und was wollte sie mir über Jovan sagen? Warum drohte Nema mir mit dem Tod durch die Hand meines Schwiegervaters, der zwar ungeduldig war, aber mir sicher niemals etwas antun würde?
Als ich die Augen wieder öffnete, blinkte im Morgenlicht, das durch die schmalen Fensterscharten fiel, ein Zügelring auf. Plötzlich hielt ich es keinen Moment länger im Stall aus. Ich musste hier weg. Und der Einzige, mit dem ich reden wollte, lebte ein ganzes Stück von den Türmen entfernt.
Im Haus fiel eine Tür mit Donnerhall zu, als ich wenig später aus dem Stall hinausritt. Vetar erschrak und trabte nervös auf den Hof. Ich hielt mich an seiner Mähne fest und musste mich ducken, um nicht am Türstock anzustoßen. Nema war wie vom Erdboden verschluckt und ich war froh darum. Ich betete, dass ich mir nicht das Genick brechen würde, und drückte Vetar vorsichtig die Fersen in die Seiten.
Die Mähne peitschte bei jedem Galoppsprung über meine Wangen, so tief beugte ich mich über Vetars Hals. In den ersten Minuten hielt ich mich nur unbeholfen und verkrampft im Sattel. Mehrmals rutschte ich beinahe aus den Steigbügeln, aber schließlich fand ich mich in den Takt der Sprünge ein.
Mit jedem Schritt, den ich mich von den Türmen entfernte, konnte ich freier atmen. Fast erwartete ich, Dušan unter dem Galgenbaum sitzen zu sehen, aber der Platz am Kreuzweg war leer. Heute nahm ich nicht den Weg zum Dorf, sondern lenkte Vetar in eine andere Richtung. Gras flog unter seinen Hufen dahin und der Wind kühlte mein glühendes Gesicht. Von fern sah ich schon bald das grünblaue Band des Flusses und roch den gärenden Duft von sommerschwerem Wasser und Schilf. Erst als nasse, moosweiche Erde Vetars Hufschlag dämpfte, ließ ich ihn langsamer werden und im Schritt am Ufer entlanggehen. Schafe blökten in der Nähe. Ich musste ein Stück in Richtung Paraćin reiten, bis ich die Flößerhütten entdeckte. Sie duckten sich zwischen Ufergestrüpp und ausladenden Erlenbäumen, die ihre Zweige weit über das Wasser streckten. Ein leckes
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