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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Hadnack sagt, dass der Kommandant in Jagodina einen Arzt schicken wird, um die Kranken zu untersuchen.“
    Ich atmete insgeheim auf. Das war nicht die schlechteste Nachricht. Die Österreicher waren besonnene Männer. Die Offiziere hatten Jovan gekannt und würden sicher nicht zulassen, dass seinem Sohn etwas zustieß. Im Stillen dankte ich Milutin für seine Umsicht.
    „Wie geht es Dajana und den anderen Kranken?“
    Wieder der schnelle Blickwechsel. „Zumindest Dajana geht es etwas besser“, meinte Zvonka.
    „Ich werde für sie beten“, sagte ich aus vollem Herzen und ging auf das Gatter zu, um Vetar anzubinden. Plötzlich kam Bewegung in die Gruppe.
    „Wohin?“, fragte einer der Männer und vertrat mir den Weg.
    Ich wischte mir mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen und sah ihn verwundert an. „Ins Haus natürlich! Ich muss doch von Branka Abschied nehmen.“
    „Bete daheim“, knurrte der Mann. „Hier bist du nicht willkommen.“
    „Ihr wollt mir einen Abschiedsgruß verwehren? Mit welchem Recht? Sie war meine Freundin! Und was auch immer ihr von mir haltet – sie hat ihre Tür stets für mich geöffnet. Niemals hätte sie es zugelassen, dass mir jemand den Zutritt zu ihrem Totenbett verweigert, und ich ...“
    Der Erdklumpen traf mich so überraschend an der Brust, dass ich mit einem Schrei zurücksprang. Ich war noch dabei, nach dem Übeltäter Ausschau zu halten, als schon die nächste Handvoll Schmutz geflogen kam.
    „Verschwinde!“, blaffte Olja mich an.
    Vetar riss den Kopf hoch und scheute, der Zügel ruckte schmerzhaft durch meine Hand. „Seid ihr verrückt?“, schrie ich. Doch da prasselte schon ein Hagel von Klumpen und Steinen auf mich und das Pferd ein. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich damals in den Sattel gekommen bin. Irgendwie gelang es mir, den erschreckten Vetar festzuhalten und den Steigbügel zu erreichen. Ich saß noch nicht einmal richtig, als mein Pferd die Ohren anlegte und mit losen Zügeln fortstürmte, während ich mich an seine Mähne klammerte und nur wie durch ein Wunder nicht herunterfiel.
     

     
    Die Tür zu Dušans Hütte stand heute nicht offen und auch die zwei anderen Hütten waren verlassen. Eine hatte ein verlängertes Dach. Dort stellte ich Vetar unter, damit er vor dem Regen, der nun vom Himmel goss, geschützt war. An einem Haken an der Wand hingen zwei Beutel. In einem fand ich ein Zaumzeug, in dem anderen ein wenig Hafer, den ich Vetar gab.
    In Dušans Hütte sah es noch ebenso ärmlich aus wie damals, als ich sie zum ersten Mal betreten hatte. Ich suchte nach Feuerholz, doch ausgerechnet im Haus des Holzfällers fand ich keins, also schüttelte ich das Wasser aus dem Haar und wrang meinen Rock aus, so gut es ging. Dann nahm ich mein Kreuz und ließ mich auf der Bettstatt nieder.
    Ich fror bis in das Innerste meiner Knochen, Kopfschmerz pochte mit jedem Pulsschlag in meinen Schläfen. Obwohl es noch helllichter Tag war, streckte ich mich auf dem Lager aus und vergrub das Gesicht in der groben Decke. Sie roch vertraut – nach Harz und Eichenholz und ein wenig auch nach seiner Haut. Wenn ich die Augen zumachte, war es fast so, als wäre Dušan bei mir. Diese Gegenwart, die keine war, tröstete mich und trug mich davon.
    Als ich wieder hochdämmerte, glühten meine Stirn und meine Wangen vor Fieber. Frostschauer schüttelten mich und meine Zunge klebte am Gaumen, so durstig war ich. Eine kühle Hand legte sich auf meine Stirn. Ich zuckte zusammen.
    Bela!
    Meine Schwester leuchtete nicht und dennoch erkannte ich jede Einzelheit ihres Gesichts. „Wo warst du so lange?“, flüsterte ich. „Warum hast du mich nicht gewarnt?“
    Doch statt mir eine Antwort zu geben, legte Bela die Hand auf meinen Mund und bedeutete mir, still zu sein. Dann war sie fort, nur auf den Lippen spürte ich noch den Druck, der mir den Mund verschloss. Ich blinzelte, weil kühle Luft über meine Lider strich. Der Wind musste die Tür aufgedrückt haben. In der Kammer war es düster, aber vor mir zeichnete sich ein dunkelblaues, mit den ersten Sternen gefülltes Rechteck ab. Und auf der Schwelle stand der hellgraue Wolf.
    In Gedanken sprang ich auf und schrie. Ich warf etwas nach ihm und schlug die Tür zu. Aber mein Körper blieb starr, selbst von Vetar hörte ich nichts, kein Schnauben, kein Trappeln. Der Wolf steckte den Kopf in den Raum und witterte. Als er einen Schritt in die Hütte machte, klackten seine Krallen auf dem Holzboden. Meine trockenen Lippen schmerzten, so

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