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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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gekommen.«
    »Auf was für einen Geschmack?«,
fragt Lucy.
    »Zivilisten umzubringen«,
antwortet Scarpetta.
    »Das erklärt noch immer nicht
die Verbindung zu Dr. Seif.«
    »Die Fotos, die er ihr schickt,
weisen darauf hin, dass er seine Verbrechen in eine psychologische Landschaft
und in Rituale eingebettet hat. Die Taten sind für ihn zu einem Spiel
geworden, das einen bestimmten Zweck verfolgt. So gewinnt er Abstand zu seinen
Taten, denn er kann es vermutlich nicht ertragen, sich der Tatsache zu
stellen, dass er anderen Menschen auf sadistische Weise Schmerzen zufügt und
sie tötet. Deshalb muss er seinen Verbrechen einen Sinn geben und sich an
seiner eigenen Schlauheit berauschen.« Scarpetta nimmt einen Block
Post-it-Klebezettel aus dem Tatortkoffer. »Er definiert die Morde gewissermaßen
zu einem religiösen Akt um. Denn wer im Namen Gottes handelt, kann nichts
falsch machen, nicht einmal wenn er Menschen zu Tode steinigt oder sie auf dem
Scheiterhaufen verbrennt. Denk nur an die Inquisition oder die Kreuzzüge. An
die ideologisch motivierte Unterdrückung von Menschen, die von der Norm
abweichen. Gewiss hat der Täter einen Sinn in seine Verbrechen
hineininterpretiert. Das ist wenigstens meine Meinung.«
    Scarpetta leuchtet das Bett mit
einem grellweißen Licht ab und sammelt mit der Klebefläche der Post-its Fasern,
mit dem bloßen Auge sichtbare Haare, Staub und Sand ein.
    »Dann glaubst du also nicht,
dass dieser Typ Dr. Seif an den Kragen will? Ist sie etwa nur eine Statistin
in seinem Drama? Hat er sich womöglich nur auf sie eingeschossen, weil es sie
gibt, weil sie ständig im Fernsehen auftritt und weil jeder sie kennt?«
    Scarpetta verstaut die Post-its
in einem Asservatenbeutel aus Plastik, versiegelt diesen mit gelbem Band und
beschriftet und datiert es mit Hilfe eines Markierstifts. Dann falten sie und
Lucy die Tagesdecke zusammen.
    »Ich denke, dass da sehr
persönliche Motive im Spiel sind«, erwidert Scarpetta. »Ansonsten gibt man
einem Menschen keine Rolle in einer solchen Inszenierung. Allerdings habe ich
auch keine Erklärung dafür.«
    Lucy reißt ein großes Stück
braunes Papier von der Rolle.
    »Vielleicht ist er ihr ja auch
nie wirklich begegnet. So wie bei Menschen, die sich willkürlich ein
prominentes Opfer ausgucken und ihm nachstellen. Oder er kennt sie doch«,
spricht Scarpetta weiter. »Ob er in ihrer Show war oder sogar privaten Kontakt
mit ihr hatte?«
    Sie legen die zusammengefaltete
Tagesdecke mitten auf das Papier.
    »Du hast recht. Ganz sicher
stecken persönliche Motive dahinter«, stimmt Lucy zu. »Vielleicht hat er den
Mord an der Frau in Bari ja Dr. Maroni gestanden, in der Hoffnung, dass Dr.
Seif es auf diese Weise erfährt. Aber Fehlanzeige. Er sagt es ihr nicht. Und
was geht dann wohl in unserem Mann vor?«
    »Er fühlt sich noch mehr
missachtet.«
    »Und was folgt daraus?«
    »Er geht immer brutaler vor.«
    »Was geschieht, wenn eine Mutter
ihrem schwer gestörten und psychisch angeschlagenen Kind nicht genug
Aufmerksamkeit schenkt?«, fragt Scarpetta, während sie die Tagesdecke verpackt.
    »Lass mich mal überlegen«,
antwortet Lucy. »Das Kind entwickelt sich zu jemandem wie mir.«
    Scarpetta schneidet ein Stück
gelbes Band ab. »Es wäre schrecklich«, sagt sie, »wenn sie Frauen foltert und
tötet, die Gäste in ihrer Sendung waren. Oder wenn der Mörder es tut, um ihre
Aufmerksamkeit zu erzwingen.«
     
    Der Sechzig-Zoll-Flachbildschirm
spricht zu Marino und verrät ihm etwas über Madelisa, das er gegen sie verwenden
kann.
    »So einen riesigen
Plasmabildschirm habe ich noch nie gesehen«, verkündet er.
    Sie ist übergewichtig, hat
geschwollene Lider und müsste sich dringend einen besseren Zahnarzt suchen,
denn ihre Dritten haben Ähnlichkeit mit einem weißen Lattenzaun. Außerdem
sollte man ihren Friseur an die Wand stellen. Angespannt kauert sie auf ihrem
geblümten Sofa und flicht nervös die Finger ineinander.
    »Mein Mann und seine
Spielzeuge«, sagt sie. »Keine Ahnung, warum es immer das Größte und Teuerste
sein muss.«
    »Sicher toll, sich auf so einem
Ding ein Spiel anzuschauen. Wenn ich so was hätte, würde ich wahrscheinlich den
ganzen Tag vor der Glotze hängen und gar nichts mehr gebacken kriegen.«
    Wie er vermutet, verbringt sie
tatsächlich ihre Tage damit, reglos vor dem Fernseher vor sich hin zu dämmern.

»Welche Sendungen sehen Sie denn
so am liebsten?«, fragt er.
    »Ich mag Krimis und Reportagen,
in denen es um Verbrechen

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