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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Pappe. Es war
niemand zu Hause.«
    »Ich hatte nicht den geringsten
Verdacht. Früher wäre mir so etwas nicht passiert.«
    »Dieser Kerl wird Tante Kay
nicht mehr zu nahe kommen. Weil ich es dir nicht mehr zutraue, habe ich mich
selbst darum gekümmert. Sein Hobel ist uralt, ein echter Schrotthaufen.
Wahrscheinlich nicht mehr ganz verkehrstüchtig.«
    Marino weicht ihrem Blick aus.
»Früher war ich nicht so«, wiederholt er.
    Sie öffnet die Eingangstür.
    »Warum verschwindest du nicht
einfach auf Nimmerwiedersehen?«, sagt sie, als sie schon auf der Veranda im
Regen steht. »Inzwischen gehst du mir wirklich am Arsch vorbei.«
     
    Das alte Backsteingebäude glotzt
Benton aus leeren Augenhöhlen an. Viele der Fenster sind zerbrochen. Die
aufgegebene Zigarettenfabrik ist unbeleuchtet, der Parkplatz liegt in völliger
Dunkelheit.
    Benton balanciert den Laptop auf
den Knien, loggt sich verbotenerweise in das drahtlose Netzwerk der
Hafenverwaltung ein und wartet. Er sitzt in Lucys schwarzem
Subaru-Geländewagen, einem Fahrzeug, in dem man nicht unbedingt Gesetzeshüter
vermuten würde. Immer wieder wirft er einen Blick durch die Windschutzscheibe,
an der langsam Regentropfen hinunterperlen, als würde die Nacht weinen. Er
beobachtet den Maschendrahtzaun rings um den menschenleeren Lagerplatz auf der
anderen Straßenseite, wo die Umrisse von Containern wie schrottreife Zugwaggons
aus der Finsternis ragen.
    »Alles ruhig«, meldet er.
    »Lass uns abwarten, so lange es
geht«, hallt Lucys Stimme in seinem Ohrhörer.
    Die Funkfrequenz ist
abhörsicher. Obwohl Benton sich in Sachen Technik gut auszukennen glaubt, ist
Lucy ihm in dieser Hinsieht haushoch überlegen. Sicherheits- und Verschlüsselungssysteme
sind ihre Leidenschaft, und sie ist überzeugt davon, ihre Mitmenschen
ausspionieren zu können, ohne dass man ihr auf die Schliche kommt. Benton
hofft, dass sie recht behält, und zwar nicht nur technisch, sondern auch, was
ihre Tante angeht. Als er sie gebeten hat, ihm ihr Flugzeug zu schicken, hat
er hinzugefügt, sie solle Scarpetta nichts davon verraten. »Warum?«, hatte Lucy
gefragt.
    »Weil ich vermutlich die ganze
Nacht lang in einem geparkten Auto sitzen und den verdammten Hafen beobachten
muss«, erwiderte er.
    Wenn sie wüsste, dass er hier
ist - nur wenige Kilometer von ihrem Haus entfernt -, würde das alles nur noch
komplizierter machen. Womöglich würde sie darauf bestehen, ihm bei der Überwachung
Gesellschaft zu leisten. Lucys Kommentar lautete nur, er habe wohl eine
Schraube locker, denn ihre Tante würde sich niemals eine Nacht lang am Hafen
herumdrücken. Außerdem sei das - mit Lucys Worten - auch gar nicht ihre
Aufgabe. Schließlich sei sie keine Geheimagentin und habe nicht unbedingt ein
Faible für Waffen, auch wenn sie damit umgehen könne. Ihr Interesse gehöre den
Opfern. Der Rest der Welt sei Lucys und Bentons Sache. Zwischen den Zeilen
wollte Lucy damit vermutlich sagen, dass das Herumlungern hier im Hafen
gefährlich werden könnte, weshalb sie Scarpetta unter allen Umständen davon
fernhalten will.
    Seltsam, dass Lucy Marino gar
nicht erwähnt hat. So etwas ist doch eigentlich sein Metier.
    Und so sitzt Benton nun in dem
dunklen Subaru. Das Wageninnere riecht neu und nach Leder. Benton blickt
hinaus in den Regen und späht durch den Wasserschleier zur anderen
Straßenseite. Gleichzeitig behält er den Laptop im Auge, um sicherzugehen, dass
sich der Sandman nicht ebenfalls heimlich in das Netzwerk der Hafenverwaltung
eingeloggt hat. Aber wo sollte er das tun? Jedenfalls nicht von diesem
Parkplatz oder von der Straße aus, denn es wäre viel zu riskant, hier in aller
Öffentlichkeit stehen zu bleiben, nur um dieser widerwärtigen Dr. Seif erneut
eine seiner teuflischen E-Mails zu schicken. Die Empfängerin sitzt inzwischen
sicher gemütlich in ihrer Penthousewohnung am New Yorker Central Park West.
Benton empfindet die Situation als ausgesprochen ungerecht. Selbst wenn es
gelingt, dem Sandman sein mörderisches Handwerk zu legen, wird Dr. Seif
vermutlich ungeschoren davonkommen. Dabei trägt sie ebenso viel Schuld an den
Verbrechen wie der Sandman selbst, weil sie aus lauter Sturheit Informationen
für sich behalten hat beziehungsweise zu gleichgültig war, um den Dingen auf
den Grund zu gehen. Benton hasst diese Frau, obwohl ihm dieses Gefühl gar nicht
gefällt. Dennoch hasst er sie so, wie er noch nie einen Menschen gehasst hat.
    Regen prasselt auf das Dach des
Geländewagens ein. Nebel

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